Jahrbuch 2007-2008

Schule Schulanfang Schloss Neubeuern 11. September 2007 Brückenbauer Als Kind hatte ich viele Jahre einen besten Freund. Der hieß Rainer - mit a i. Rainer und ich sind durch dick und dünn gegangen. Wir ha- ben uns schon im Kindergarten kennen gelernt. Nachmittags waren wir fast immer zusammen, auch in der Grundschule noch. Wir sind viel in den Wald gegangen. Dort haben wir Vögel fo- tografiert - oder es zumindest versucht. Außer- dem haben wir uns Lager gebaut, in denen wir irgendwann einmal übernachten wollten. Mit Rainer konnte man alles machen. Der hat sich immer alles getraut. Wenn unser Bu- merang in den Ästen eines Baumes hängen geblieben war - Rainer kletterte rauf. Wenn wir nicht wussten, ob eine Beere essbar war: Rainer hat sie probiert. Wenn ein Ball bei der Nachbarin im Garten lag, die das gar nicht lei- den konnte: Rainer hat ihn geholt. Einmal waren wir einem kleinen Vogel auf der Spur. Wir wollten ihn unbedingt fotografie- ren. Es war ein besonders seltener Vogel, ein Pirol. Doch der Vogel war listig. Er hat uns im- mer weiter in den Wald gelockt. Wir immer hin- terher. Und dann war da auf einmal der Bach. Für den Vogel war das kein Problem. Der war gleich drüben. Aber wir. Wir standen am Bachufer. Der Bach war ganz schön breit und tief. Und er floss auch ziemlich schnell. Es war fast schon ein kleiner Fluss. „Wir geben nicht auf“, sagte ich mutig. „Wir nicht“, bestätigte Rainer . - „Wie kommen wir da rüber?“, fragte ich. „Wir bauen eine Be- helfsbrücke“, sagte Rainer, „wir brauchen nur einen passenden Baumstamm dazu.“ Es gab auch einen passenden Baumstamm - ganz in der Nähe. Nur lag der leider auf der anderen Seite des Baches. „Wir müssen eben springen“, sagte ich mutig. „Der Bach ist aber ganz schön breit“, sagte Rainer . „Und tief“, be- stätigte ich. - „Es würde ja reichen, wenn einer springt“, fiel mir ein. „Du hast Recht, ich springe“, sagte Rainer , „dann schiebe ich den Stamm über den Bach und du kannst drüber laufen.“ - „Du bist besser im Weitsprung als ich“, sagte ich. Und das stimmte: zwei Zentimeter war er in der letzten Sportstunde weiter gesprungen als ich. Rainer hat einen riesen Anlauf genommen. Nur leider ist er kurz vor dem Bach gestolpert. Er ist trotzdem noch relativ weit gekommen. Fast bis zum andern Ufer. Allerdings mit dem Gesicht voraus. Ich vergaß zu erwähnen, dass es November war. Ich bin ziemlich erschrocken. Aber Rainer ist gleich wieder aufgetaucht. „Nichts passiert!“, hat er gerufen. Er ist aus dem Bach heraus ge- klettert und hat fachmännisch mit dem Baum- stamm eine Brücke gebaut. Sein Vorteil beim Bauen war jetzt, dass er dazu im Bach stehen konnte. Er war ja eh schon nass. Leider war der Vogel nicht mehr da, als ich endlich drüben war. Ich hatte ein ziemlich Max Kleiber Blick nach Raubling von der Südterrasse Gästebücher Schloss Neubeuern Bd. II 1892

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