Jahrbuch 2008-2009

63 Schule DieTurmgilde bei Günther Grass „Von Deutschland nach Deutschland“ heißt das kürzlich veröffentlichteTagebuch von Nobel- preisträger Günther Grass, aus welchem er im Rahmen einer Vortragsreihe an der Münchener LMU vorlas. Natürlich war auch die Turmgilde vor Ort, allen voran Herrn und Frau Rüller, Emily Ruetz, Johanna Vogt, Deborah Döring, Fabian Neppeßen, Johannes Obenauf, Simon Tissen und Christian Gude. Das Tagebuch von 1990 beschäftigt sich mit der Wende, der dramatischen wie glücklichen Zeit der Wiedervereinigung in der vieles richtig, aber auch einiges falsch gelaufen ist. Während der Lesung ärgerte sich der Autor über das Verhalten der Westdeutschen ihren Mitbürgern aus der ehemaligen DDR gegenü- ber: Sie hätten sich wie Sieger und „Kolonial- herren“ gefühlt. Deutlich äußert Grass seinen Unmut über „die Einheit auf Pump“ und un- serem veralteten Grundgesetz. Grass zeigte sich von seiner besten Seite als Homo Politicus und schreckte nicht davor zurück, selbst seine Zuhörerschaft zu kritisieren: Er bemängelt den fehlenden politischen Geist unter Schülern und Studenten. Grass’ Rede wirft viele interessante Fragen auf, wie diejenige, wie es dazu kommen konnte, dass selbst nach 20 Jahren die Kluft zwischen Ost und West nicht geschlossen werden konn- te und die Vorurteile über „Wessis und Ossis“ eine neue Renaissance erleben. Für die meisten von uns war die Vortags- reihe „LMU im Dialog“ die erste Gelegenheit Grass kennenzulernen und einige schafften es sogar, sich von ihm noch ein Buch signieren zu lassen. Politische Passivität bei Studenten: „Das regt mich auf!“ Es war interessanter Abend, der Fragen auf- warf und uns einen Blick auf den berühmten Nobelpreisträger erlaubte. Herzlichen Dank für diese einmalige Gele- genheit! Christian Gude Günter Grass Unterwegs von Deutschland nach Deutschland Ein sehr persönliches Dokument wird zur spannenden Zeitreise: Seit fast zwanzig Jahren bekommt Günter Grass von seinemVerleger Blindbände geschenkt, Bücher mit leeren Seiten, die er mit ersten Fassungen seiner Texte füllt. Und er nutzt sie als Tagebuch und damit als Nährboden für seine Ideen. Mit dem Jahr 1990 begann Grass sein bis heute anhaltendes intensives Notieren. Nach dem Mauerfall war Deutschland im Umbruch, und Günter Grass wollte nah dran sein an der Stimmung unter den Menschen und den politischen Debatten. Er war viel unterwegs in der Noch-DDR, war präsent, wo über die Zukunft und den Prozeß der Wiedervereinigung gesprochen wurde, pflegte einen regen Austausch mit seinen Kindern und Freunden.

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