Jahrbuch 2013-2014

334 Vermischtes In einem erhellenden Vortrag erläuterte die Philosophin und Künstlerin Eli abeth von Sam- sonow anschließend den Begriff der Muse. „Musen sind Menschen, die zu kreativen Leis- tungen anspornen und inspirieren“, so von Sam- sonow. In der Mythologie seien die Musen neun Schwestern, die von Zeus mit Mnemosy- ne, der Göttin der Erinnerung gezeugt wurden. Für die Ausstellung habe man aus dem Gewebe bedeutender Persönlichkeiten dieses Jahr den „Musenfaden“ herausgezogen. Eine „revoluti- onäre Muse“, in der sich Begabung, Gefühl und Talent mit der Kraft der Muse verbunden hät- ten, sei die Schriftstellerin Annette Kolb. Die hochbetagte österreichische Dichterin Friederike Mayröcker, nach Elisabeth von Samsonow die wichtigste lebende Dichterin deutscher Sprache, verlieh der Muse gleichsam eine lebendige Stimme. Vom Licht gespenstisch fahl angestrahlt, hatte ihr blasses Gesicht mit den dunklen Haaren etwas seltsam Entrücktes. In getragen melancholischem Tonfall las May- röcker kurze Prosa und ausgewählte Gedichte, entspann sich ein träumerisches Geflecht aus Bildern und Gedanken, das vom Hörer hohe Konzentration erforderte. Annette Kolb, selber eine ausgezeichne- te Pianistin, liebte die Musik mehr als die Bü- cher. Dass die Sängerin die Muse auf ideale Weise verkörpert, ja das Wort Musik mit Muse verwandt ist, war in den Arien aus Opern von Richard Strauss zu hören. Am Klavier von Ri- cardo Ballestero feinfühlig begleitet, beglückte Susanne Bernhard das Publikum mit einem scharf konturierten, ausdrucksvollen Sopran. Die Lesung von Enoch zu Guttenberg , dessen Stimme Annette Kolb ein männlich-ari- stokratisches Timbre verlieh, hätte der Schrift- stellerin bestimmt gefallen. Auszüge aus ihrem Roman „Das Exemplar“ und aus „Der unver- standene Mann“ zeigten nicht nur Guttenbergs überragende Vortragskunst, sondern ebenso den Witz, die Intelligenz und die präzise Beo- bachtungsgabe der Autorin.

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