Jahrbuch 2013-2014

70 Schule Ihr, liebe Abiturienten, habt eine große Schwelle im Leben genommen, und dazu beglückwünsche ich euch! Auf der einen Seite schön, auf der an- deren Seite traurig: schön, dass ihr da seid! und traurig, dass ihr bald eben nicht mehr hier seid! Ihr steht auf einer Schwelle, hier auf dem Hügel, mit einem herrlichen Blick von oben. Hier habt ihr gemeinsam gelebt, gearbei- tet, gelacht, gelitten und geweint – und nun geht es runter und raus in die Welt. Weg vom Hügel mit seinem Überblick, runter ins Getümmel, dahin, wo man oft nicht so leicht erkennt, wo es lang gehen soll. Ich möchte euch auf dieser Schwelle drei Blicke zurück mitgeben. Genauer gesagt sogar: Drei Blicke in diese Kapelle. Erster Blick: Hier der Altar auf der linken Seite. Er zeigt die Taufe Jesu. In der Bibel wird erzählt, dass Jesus, bevor er angefangen hat zu wirken – also auf einer Schwelle, einem Übergang, wie ihr – sich hat taufen lassen. Und dabei, wird erzählt, ist der Himmel aufge- gangen und es gab eine Stimme, die gesagt hat: „Du geist mein geliebter Sohn!“. Den Blick auf dieses Bild gebe ich euch mit und die Botschaft, die es bedeutet: Auch über euch geht der Himmel auf und Gott spricht: „Du bist gewollt und wichtig! Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter. Sei willkommen in dieser Welt und geh deinen Weg!“ Zweiter Blick: Der Altar auf der rechten Seite. Was ihr hier seht, ist der Heilige Sebastian. Manchmal besteht das Le- ben aus schmerzhaften Nadelstichen und Pfeilen, die einen treffen. Beson- ders, wenn man wie Sebastian für seine Überzeugungen einsteht, und das anderen nicht passt. Aber, was viele nicht wissen: Das, was ihr hier seht, diese Schmerzen und Wunden, das hat Sebastian überlebt. Er ist gesund gepflegt worden und ist danach weiter für seine Überzeugungen einge- standen. Er hat sich nicht kleinmachen lassen. Ich wünsche euch, dass euch gar keine Pfeile treffen – aber wenn, dass ihr sie aushaltet und überlebt und dass ihr für eure Überzeugungen einste- hen könnt. Dritter Blick: Die Decke. Ich finde es immer wieder aufs Neue schön, dass diese Decke weiß ist. Oft findet man in Kirchen hier ein vorgemaltes Bild und was da gezeigt wird, ist die Zukunft, wie man sie sich ausmalt und vorzeichnet. Diese hier aber ist weiß und damit offen. Die Zukunft ist eben nicht von anderen vor- gezeichnet. Bisher wurde euch hier vieles vorgeschrieben, es gab Regeln und Er- fordernisse. Nun mit eurem Abschluss hört das auf und ihr kommt in eine Welt, wo euch vielleicht auch manche etwas vorzeichnen, wo aber anderer- seits nun ihr diejenigen seid, die am eigenen Bild malen können und sollen. Nun malt ihr eure eigene Zukunft. Ich wünsche euch, dass ihr mit eurem eigenen Pinselstrich und euren eigenen Farben in diese Decke euere eigene Zukunft malen könnt und dabei euren ganz eigenen Ausdruck findet. Ich wünsche euch Gottes Se- gen dabei! Ihr habt nun ein erstes wichtiges Ziel erreicht und das ist ganz Freude, gleichzeitig aber auch ein Abschied, denn euer gemeinsames Leben und Arbeiten, Lachen, Leiden undWeinen hört nun auf. Behaltet es in Erin- nerung, es verbindet euch mit den anderen. Und der Abschied ist auch seine Tränen des Abschieds wert. Michael Schlierbach

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