Jahrbuch 2014-2015
207 Internat Katja Olschewsky & Oliver Dietz Schloss Neubeuern 30. September 2014 Katja Olschewsky und ich waren mit der Durchführung und Auswertung des Gruppenwettbewerbs vom Sonntag betraut. Auf dem Programm stand neben Bowling auch Go-Kart Minigolf. Um Schummeleien zu verhindern sollten sich aus verschiedenen Internatsgruppen gemischte Flights bilden. Das half aber nichts. Schon an der Wett- kampfstätte fielen uns Unregelmäßigkeiten auf, die sich bei der Auswertung dann leider bestätigten. Der extremste Cheater gab beispielsweise ein Wertungsblatt ab, auf dem er sich bescheinigte, sage und schreibe 10 Schläge weniger benötigt zu haben, als unsere besten Golfer. 34 Schläge brauchte er für die 14 Bahnen. 21 unter Par - und 30 unter dem Schnitt aller Schüler! Sein größtes Kunst- werk vollbrachte er auf Bahn 12. Mit ihren 25,5 Metern Länge und durchschnittlich 5 nötigen Schlägen war sie die anspruchsvollste. Und er, der weder regelmäßig Golf noch Minigolf spielt: ein Hole in one!Wie auf Bahn 10 übrigens auch, dem zweitlängsten Loch! Er war nicht der einzige…! „Wenn Du schon cheatest, dann so, dass es keiner merkt!“ hat man dem Schüler später im Bus gesagt. Ist das eine brauchbare Empfehlung? Die richtige Moral?Was ist fair? Sich so weit an die Regeln zu halten, wie man meint, der andere, der Durchschnitt täte es? Zu spekulieren über die Korrektheit der anderen und deren betrügerische Absichten - und sie gerade noch zu toppen? In der Abendsprache musste fast jeder zugeben, dass er sich nicht an jede einzelne Minigolf-Regel gehalten hat. Wir meinten dazu: Das macht das Leben komplizierter. Das Leben wird unberechenbar, wenn man nie weiß, lügt der andere, übertreibt er und wenn ja, wie sehr? DasVertrauen schwindet: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht! Und wenn er auch die Wahrheit spricht“. Frustrationen entste- hen bei den Übervorteilten und Angelogenen. Letztlich leidet die ganze Stimmung - und die Sicherheit darunter. In einer funktionierenden (Internats-) Gemeinschaft ist faires Verhalten eines jeden Einzelnen notwendig. Das Vertrauen auf korrekten Umgang miteinander ist ein Gut, das nur gemeinsam produziert werden kann. Es steht aber immer in der Gefahr, von einzelnen für kurzfristige eigene Interessen ausgenutzt zu werden. Missachten sehr viele das Regelwerk, dann wird unfaires Verhalten zu einer persönlichen logischen Entscheidung und aus Betrug ein legitimes Mittel zur Herstellung von Chancengleichheit. Schon ein einzelner von uns hier kann folglich das Vertrauen auf Fairness gefährden. Allerdings kann er als einzelner unmöglich das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen. Unser abschließender Appell lautete daher: „Wenn wir es dieses Jahr schaffen würden, dass jeder schweigt, statt lügt, sich aufrichtig Mühe gibt, statt betrügt, dann würde es ein besseres Jahr…“ Für diese Abendsprache wurden wir verschiedentlich kritisiert, sei sie doch zu pauschal, vorwurfsvoll und dü- ster gewesen. Vor allem für all die Neuen. Wochen später erwies sie sich aber als viel zu harm- und wirkungslos. Im Rahmen des 24-Stunden-Laufs krönten wir nämlich Leistungen, die nicht erlaufen, sondern teilweise dreist erschwindelt waren, indem sich Einzelne selbst Runden aufschrieben, ohne sie gelaufen zu haben. Dass der Betrug hier für einen guten Zweck sei, machte die Sache eher schlimmer als besser! Oliver Dietz
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