Jahrbuch 2015-2016

222 Vortragsreihe „Nicht alle wollen bleiben.“ Am 10.11.2015 besuchte uns Dr. Arnold von Rümker , Präsident der Johanniter Unfallhilfe e.V. (JUH) und Altschüler (1951-1956), um darüber zu be- richten, wer die Johanniter sind und welchen Beitrag sie bei der aktuellen Flüchtlingshilfe leisten. Zunächst führte Herr v. Rümker uns kurz durch sein bewegtes Leben. Nach dem Abitur machte er eine Landwirtschaftslehre und studierte im Anschluss Ag- rarwirtschaft in Göttingen. Im Rahmen seiner Doktor- arbeit verschlug es ihn nach Ostafrika (Malawi). Dort wurde er von der Weltbank in Washington angeheu- ert, um weltweite Projekte zu betreuen. 2002 kehrte er nach Deutschland zurück, um für die GIZ (Gesell- schaft für Internationale Zusammenarbeit) internatio- nale Projekte zu betreuen. Mit 63 zog er nach Berlin. Dort erhielt er eine Anfrage der JUH und wurde erst ehrenamtlicher Landesvorstand (Berlin/Brandenburg), dann Bundesvorstand und seit 2013 ist er Präsident. Kurz und knapp stellte er den Johanniterorden vor, der es sich seit über 800 Jahren zur Aufgabe macht, anderen zu helfen. Insgesamt umfasst die JUH ca. 17.000 hauptamtliche Mitarbeiter, ca. 32.000 ehren- amtliche, rund 12.000 jugendliche Mitarbeiter und weit über 1.000 FSJ‘ler (Freiwilliges Soziales Jahr) und BFD’ler (Bundesfreiwilligendienst). Im letzten Teil seiner Präsentation ging Herr von Rümker auf die Rolle der Johanniter in der derzeiti- gen Flüchtlingsdebatte ein. Die Organisation betreut momentan Projekte in insgesamt 23 Ländern. Die Hil- fe besteht aus verschiedenen Bausteinen: Erstversor- gung, Basisgesundheit, Orthopädie/Physiotherapie und Katastrophenhilfe/psychologische Versorgung so- wie Hilfsgüterlieferungen. Momentan seien etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht, 50 Prozent davon sind Kinder. Die meisten fliehen zwar innerhalb ihres Landes oder maximal in einen Nachbarstaat. Den- noch, dieses Thema wird die deutschen Politiker noch vor große Herausforderungen stellen. Unter anderem müssen die Kinder in Schulen und Kitas betreut wer- den. In Deutschland sind 2015 bisher rund 800.000 Flüchtlinge angekommen, man rechnet jedoch mit bis zu 1,5 Millionen. Aktuell kommen etwa 10.000 Flüchtlinge pro Tag in Deutschland an. Es gibt viele, arbeitserschwerende Hindernisse. Zum einen sind viele Unterkünfte nicht winterfest, andere Gebäude müssen erst den verschiedensten behördlichen Prü- fungen (Brandschutz, Sanitäre Anlagen etc.) unterzo- gen werden, bevor sie überhaupt zur Nutzung freige- geben werden. Darüber hinaus steigt der Bedarf an ehrenamtlichen Helfern. Viele Helfer gehen in erster Linie einer regulären Beschäftigung nach und enga- gieren sich hauptsächlich nebenbei. Meist nehmen sie Urlaub oder kommen nach Feierabend. Obwohl sich die Helfer an eine Hotline oder verschiedene Ein- richtungen wenden können, bleibt unklar, wie lange der physischen und psychischen Belastung Stand ge- halten werden kann. Daher ist es auch Aufgabe der Johanniter, Zukunftsperspektiven zu schaffen z.B. in- dem Jugendeinrichtungen geschaffen oder „Integrati- onslotsen“ ausgebildet werden. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die An- kömmlinge zu managen. Da viele Familienmitglieder oder Freunde haben, die bereits in Deutschland leben, kann es passieren, dass Neuankömmlinge einfach ab- geholt werden, ohne dass die Behörden wissen, wo sich ihr künftiger Aufenthaltsort befindet. Der familiä- re Zusammenhalt oft groß, so kommen die Ankömm- linge einige Zeit auch ohne staatliche Unterstützung aus. Wer jedoch vom Staat unterstützt werden möch- te, muss sich registrieren lassen. Ankömmlinge, die über kein Netzwerk in Deutschland verfügen, leben in sogenannten „Unterbringungseinrichtungen“. Die Bezeichnung „Lager“ wird vermieden. Generell kommen die Flüchtlinge aus den un- terschiedlichsten Schichten. Gerade die syrische Bevölkerung stammt meist aus der „gehobenen“ Mittelschicht, da nur diese die enormen Kosten für Schlepper und Fluchthelfer tragen können. „Ärmere“ Syrer hingegen sitzen immer noch in der Türkei fest. Die unterschiedlichen ethnischen, kulturellen und re- ligiösen Hintergründe führen oft zu Spannungen in den Einrichtungen. Daher gibt es in den großen Un- terbringungen Sicherheitspersonal. Dieses spricht meist fließend eine der Landesprachen und versucht, die Lage zu entspannen, wenn die Nerven wieder mal blank liegen. Es wird bewusst keine Teilung der Ankommenden vorgenommen, da von Anfang an ein gemeinschaftliches Miteinander in unserer offenen Gesellschaft gefördert werden soll. Trotzdem bleiben der Umgang mit und der Respekt vor Frauen die größ- ten Herausforderungen. Abschließend gab Herr v. Rümker zu bedenken, dass nicht alle Flüchtlinge auch bleiben wollen, son- dern viele lieber wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Daher muss ein großes deutsches aber auch europäisches Ziel die dauerhafte Schaffung von Frie- den in Syrien sein. Eine Herausforderung an der Euro- pa zerbrechen könnte. Wir bedanken uns recht herzlich bei Herr v. Rüm- ker für diesen aufschlussreichen Vortrag, der zu einer gewissen Versachlichung eines oft sehr emotional be- handelten Themas führen dürfte. Julia Schmiedchen & Katja Olschewsky /

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