Jahrbuch 2015-2016
238 Vortragsreihe „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“. (Ludwig Erhard) Zu Beginn richtet Franz Josef Pschierer , Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Me- dien, Energie und Technologie, ein paar Grußworte an un- sere Schüler und beginnt sogleich zu erzählen, wie man eigentlich dazu kommt, im Wirtschaftsministerium zu ar- beiten. Nach seinem Abitur ging er zwei Jahre zum Bund und studierte im AnschlussWirtschafts- und Sozialwissen- schaften. Danach arbeitete er bei der Handwerkskammer für Schwaben und Augsburg in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Im Anschluss war er als Redakteur bei der Deutschen Handwerks Zeitung beschäftigt, ehe er 1989 zum stellvertretenden Chefredakteur bestellt wur- de. 1994 wählten ihn die Bürger in den Landtag und 2008 wurde er von Ministerpräsident Horst Seehofer ins Kabi- nett berufen. Von 2008 - 2013 war Franz Josef Pschierer Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Fi- nanzen. Seit 2013 stellt er sich nun als Wirtschaftsstaats- sekretär den verschiedensten alltäglichen Herausforderun- gen. Was sind also die Themen des Wirtschaftsministeriums? Wie bereits erwähnt, kümmert sich das Ministerium um die BereicheWirtschaft, Medien, Energie undTechnologie, zum Beispiel sind die außeruniversitäre Forschung (Max- Planck-/ Fraunhofer Institute) sowie der Tourismus dort an- gesiedelt, aber auch die Internationalisierung, in Form der Außenwirtschaftspolitik, wird vomWirtschaftsministerium vorangetrieben. Die aktuell größte Herausforderung für die Staatsregie- rung stellen die in Bayern ankommenden Flüchtlinge dar. Über 1,1 Millionen Menschen sind bereits über Bayern nach Deutschland gekommen. Rund 4,5 Milliarden Euro hat allein der Freistaat bereits 2015 und 2016 für die Flücht- lingshilfe im Haushalt eingeplant. Europa sieht Staatsse- kretär Pschierer in einer schwierigen Situation und des- halb müsse man von den europäischen Mitgliedstaaten nicht nur in guten, sondern besonders in schlechten Zeiten Solidarität erwarten können. Man müsse aber vor allem auch zwischen dauerhaftem und temporärem Bleiberecht unterscheiden. Dabei spiele vor allem die Integration eine entscheidende Rolle. Diese sei gekennzeichnet durch eine aktive gesellschaftliche Beteiligung. Dazu gehöre vor allem der Spracherwerb und die Integration in den Arbeitsmarkt. Bis 2019 sollen 60.000 Flüchtlingsbewerber mit Arbeits- und Praktikumsplätzen von bayerischen Unternehmen versorgt werden. Jedoch könne man schlussendlich von einem realen Anteil von gerade mal 15% sprechen, die vom Arbeitsmarkt wohl zukünftig angenommen würden. Daher sei es umso wichtiger, ein Integrationsgesetz zu verabschieden. Was sollte dieses beinhalten? Das Gesetz solle sowohl die Förderung, also Hilfe zur Selbsthilfe, bein- halten als auch die Forderung, die Bildung von Parallelge- sellschaften zu vermeiden und die gängige Leitkultur (Mei- nungs-, Religions- und Pressefreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Gleichberechtigung) zu akzeptieren. Darüber hinaus klärte Staatsekretär Pschierer unsere Schüler auf, dass dasWirtschaftsministerium mit BAYERN DIGITAL die Digitalisierung maßgeblich gestalte und vor- antreibe, damit Bayern Leitregion des digitalen Aufbruchs wird. Das bedeutet konkret, Menschen auf das digitale Zeitalter vorzubereiten. In Zukunft werde der Fokus nicht mehr auf der Kommunikation von Mensch zu Maschine, sondern eher von Maschine zu Maschine liegen. Auch Di- gitalisierung und Gesundheit spielen eine Rolle, denn was passiert zukünftig mit anonymisierten Gesundheitsdaten? Wer nutzt diese? Auch im BereichWohnen soll sich einiges ändern. Der Fokus läge nun vermehrt auf „Smart Homes“, sogenannten intelligenten Häusern, die über Apps und weitere digitale Mechanismen gesteuert werden können. Nachdem Staatssekretär Pschierer unseren Schülern einen gelungenen und sehr kurzweiligen Einblick in seine Arbeitsbereiche bot, war nun die Fragerunde eröffnet: Woher kommen die 4,5 Mrd. Euro? Pschierer: Bayern verzeichnet hervorragende Steuer- einnahmen aus denen die momentanen Kosten gedeckt werden können. Es wird keine Leistungskürzung vorge- nommen, um die Flüchtlingshilfe zu finanzieren. Jedoch kann dies nicht jedes Jahr gestemmt werden, weshalb wir in Zukunft auf die Unterstützung der Bundesregierung hoffen. Kann man die Flüchtlingszuwanderung auch als Chance sehen? Pschierer: Das könnte man, aber auf lange Sicht werden die Integrationskosten wesentlich höher sein als der Bei- trag zum Bruttoinlandsprodukt. Man muss die Zuwande- rung eher unter dem Aspekt sehen:Wer hat ein Asylrecht? Dieses Recht ist unantastbar. Langfristig wird die Integra- tion in den Arbeitsmarkt bei unter 15% liegen. Wie stehen Sie zur Türkei und der Böhmermann Affaire? Pschierer: Die Staatsregierung steht der Verhandlungs- position, die die Bundesregierung gegenüber Erdoğan ein- nimmt, durchaus kritisch gegenüber. Wie lassen sich Geschäfte und Missachtung der Menschenrechte miteinander vereinbaren? Pschierer: Je enger der wirtschaftliche Kontakt zwischen den Staaten ist, desto mehr haben beide Seiten zu verlie- ren. Daher versucht man, die Geschäftskontakte aufrecht zu erhalten aber gleichzeitig die Missachtung der Men- schenrechte diplomatisch zu lösen. Wir danken Herrn Staatssekretär Pschierer recht herzlich, dass er sich die Zeit genommen hat, uns die aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen für Bayern und die Region näher zu bringen. Julia Schmiedchen & Katja Olschewsky /
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