Jahrbuch 2015-2016

255 Abendsprachen Links sieht man Johannes denTäufer. Der Getaufte ist nach der Geschichte in der Bibel Jesus. Das gleiche Motiv sieht man ganz hinten in der Kapelle, wobei der Witz dieses Gemäldes ist, dass diese Taufsituation am Inn stattfindet - das sollte den Leuten zeigen, dass wir alle gleich sind, und es ist egal, ob man sich wie Jesus im Jordan oder als Christ mit Wasser aus dem Inn taufen lässt. Unter dem Seitenaltar links und dem Johannes den Täufer sieht man den Heiligen Nepomuk .Wenn Ihr auf der Straße von Neubeuern nach Raubling fahrt (zum Bahnhof), dann seht Ihr dort auch den Hl. Nepomuk . Er ist berühmt da- für, dass er von einer Brücke hinuntergestoßen wurde, weil er ein Geheimnis nicht weitersagen wollte, das ihm anvertraut worden war. Wie durch einWunder überlebte er aber den Sturz in den Fluss, weshalb man sagt, dass er der sog. “Brückenheilige” ist: wer eine Brücke überquert, hat den Schutz von einem besonderen Schutzengel. Auf der rechten Seite sieht man Sebastian , der auch der “Pestheilige” ge- nannt wird. Seine Geschichte sieht man im Bild: er lebte im 3. Jahrhundert im Römischen Reich und war Soldat. Diejenigen, die Latein lernen (müssen), wis- sen, dass es zur Zeit der Römer viele Götter gab, die heute keiner mehr richtig kennt. Obwohl es damals nicht erlaubt war, gestand er offen, dass er Christ war. Seine Mitsoldaten banden ihn an einen Baum und beschossen ihn mit Pfeilen, aber er wurde davon nicht getötet. Die Geschichte soll natürlich heißen: wenn ich zu meiner Überzeugung stehe, können mir die anderen nicht schaden. Es tut zwar weh, wenn sie mich ausschließen, und sozusagen beschießen, aber wenn ich wirklich von etwas überzeugt bin, kann mir niemand etwas wirklich antun. Unter dem Hl. Sebastian sieht man Florian , von dem es die Legende gibt, dass er ein brennendes Haus mit seinem Gebet gelöscht hat. Das ist natürlich genauso unrealistisch, wie mancher James-Bond oder Spiderman-Film , aber diese Geschichte inspirierte viele Menschen, mit Mut und Tatkraft gute Werke in der Feuerwehr zu tun, so wie unsere Feuerwehr’ler das ja auch bei uns am Schloss machen. 1751 wurde die Kapelle nicht mehr weiter verändert. So wie wir sie also heu- te sehen, ist sie seit über 260 Jahren nicht mehr umgebaut worden. Ursprüng- lich hätte man vermutlich in die leeren Felder zwischen dem Stuck noch Bilder malen können, doch das war dann nicht mehr Mode, deshalb ließ man sie leer. All diese Heldengeschichten, die in unserer Kapelle dargestellt sind, zeigten den Leuten in der Vergangenheit, die diese Geschichten kannten, dass das Le- ben voller Gefahren ist, auch voller Krieg, Neid, Machtkämpfe, Glaubenskriege – es war und ist ja auch heute eine Welt, die von “dunklen Mächten” bedroht ist. Doch früher wie auch heute gibt es immer wieder Helden, die keine Mühen scheuen und eigentlich völlig unmögliche Dinge machen, um letztendlich das Gute oder die Gerechtigkeit zu retten. Wenn wir also in die Kapelle kommen und all diese Leute hier abgebildet sehen, dann haben wir tolle Männer (und in ande- ren Kirchen sieht man auch tolle Frauen) vor uns, die uns Vorbilder sein können, nach denen wir unsere Ideale ausrichten können, wenn wir wollen. Vor allem sollten wir nie aufgeben, an das Gute zu glauben. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir nicht aufhören, die guten Mächte zu sehen, in uns und in anderen. Neubeuern ist ein Ort, der an das Gute in allen Menschen glaubt. Daher besteht guter Grund, darauf zu hoffen, dass auch in neuen Jahr “die Macht” mit uns ist. Ich wünsche Euch ein gutes, neues Jahr! Möge die Macht mit uns sein! Annette Haseneder Ich danke Pfarrer Reuder , Neubeuern, für seine äußerst kenntnisreiche Kirchenführung und Mattias Mühl für seine Gedanken zu “Die Macht” (CiG 2, 2016).

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