Jahrbuch 2015-2016

56 Schule Theater Schloss Neubeuern 10. März 2016 Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ Theateraufführung für die 10.-12. Klassen „Sezuan ist überall“ – das ist das ernüch- ternde Fazit der Theateraufführung für die 10.- 12. Klassen. Am Donnerstag, den 10. März, gastierte die Neue Werkbühne München mit dem Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht , dem Begründer des epischen Theaters, auf Schloss Neubeuern. Dabei wurden wir Zeugen einer Aufführung von beklemmender Aktualität und zeitloser Gül- tigkeit. Die Handlung spielt in der fiktiven chi- nesischen Provinz Sezuan, an einem Ort, der stellvertretend für alle Plätze dieser Erde steht, an dem Menschen von Menschen ausgebeutet werden. Erzählt wird die Geschichte der Pros- tituierten Shen Te . Sie bietet den Göttern, die auf der Suche nach einem Gutmenschen sind, für die Nacht ihr bescheidenes Quartier an. Im Gegenzug wird sie von diesen reich belohnt, wobei sie versprechen muss, künftig nur noch gut zu handeln. Im weiteren Verlauf des Stücks muss sich Shen Te immer wieder die Frage stellen, wie sie mit ihrer Wohltätigkeit und dem Dasein als guter Mensch umgehen soll, ohne dabei selbst Schaden zu erleiden. Menschen wie ihre habgierige Hausbesitzerin oder der Schreiner Lin To machen es ihr nicht einfach, sich selbst treu zu bleiben. Aus diesem Grund schlüpft ShenTe gelegentlich in ihr zweites Ich, den Vetter Shui Ta. Dieser ist ein erbarmungs- loser Ausbeuter in einer globalisierten Welt. Als die Protagonistin sich dann aber in einen brot- losen Flieger verliebt und von diesem schwan- ger wird, sieht sie keinen anderen Ausweg, als die Rolle ihres Vetters gänzlich zu überneh- men, um ihr ungeborenes Kind vor dem skru- pellosen Yang Sun zu schützen. Aufgrund des Verschwindens der ehemaligen Prostituierten werden deren Nachbarn dann aber misstrau- isch und beschuldigen den Vetter des Mordes an Shen Te . Dieser wird vor Gericht gestellt, das aus den drei Göttern besteht. Während der Verhandlung gibt sich ShenTe zu erkennen und macht dabei deutlich, wie unmöglich der einsti- ge Befehl der Götter war: „Gut zu sein und doch zu leben, zerriss mich wie ein Blitz in zwei Hälf- ten. Ich weiß nicht, wie es kam: gut zu sein zu anderen und zu mir konnte ich nicht zugleich.“ Diesen Zwiespalt können auch die Götter nicht aufheben und entschwinden. ShenTe bleibt da- her ohne Lösung zurück und wendet sich am Ende des Stückes mit einer Aufforderung an das Publikum: „Los, such‘ dir selbst den Schluss. Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“ Aber nicht nur diese Worte und die Auffor- derung, über das Gesehene nachzudenken, hinterließen Eindruck. Vor allem das Bühnenbild hatte einen entscheidenden Anteil an der Atmo- sphäre. Dieses war in erster Linie geprägt von einem Platz, der mit Maschendraht eingefasst war und somit eine Art Käfig darstellte. Unter- malt wurde der karge und trostlose Schauplatz von Einblendungen auf einer Leinwand im Hin- tergrund: Elendsviertel, afrikanische Slums,

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