Jahrbuch 2015-2016

66 Schule Zeitzeuge Schloss Neubeuern 4. April 2016 „DDR-Zeitzeuge spricht „Klartext“ im Vor- trag mit den Jahrgangsstufen 10 und 11“? Christian Koch. Zeuge einer Zeit, die für uns weit entfernt liegt, es aber nicht ist. Wir können uns nur schwer vorstellen in einer Zeit zu leben, in der es verboten ist, seine eigene Meinung im Unterricht frei zu äußern oder dass man wegen Staatshetze ins Gefängnis kommt. Deswegen er- zählte uns Herr Koch am 4. April 2016 etwas über sein Leben, seine schwere Kindheit, seinen ge- scheiterten Fluchtversuch, der mit einem zermür- bendem Gefängnisaufenthalt endete, über seine Euphorie, als er frei gekauft wurde und über sein anschließendes Leben in lang ersehnter Freiheit. Vor diesem Hintergrund nahm er auch leidenschaft- lich und teils mit drastischen Worten Stellung zu aktuellen politischen Entwicklungen – nicht nur in Ost- und Westdeutschland. Geboren 1955 wuchs er zur Zeit des Kalten Krieges in der DDR auf. Als Sohn eines thüringi- schen evangelischen Pfarrers war seine Kindheit geprägt von Schikanen, da er kein Mitglied der FDJ war, weil sein Elternhaus, besonders der Vater, strikt gegen das SED-Regime eingestellt war. So kam ihm und seinen Geschwistern von klein auf eine Sonderrolle zu, die ihn prägte. Durch die Korruption, die während dieser Zeit herrschte, bekam er nicht die Chance, seinen Traumberuf Tierarzt zu erlernen. Mit der Gewissheit, aus diesem Unrechtsstaat ausbrechen zu müssen, wurde ihm bereits in seiner Jugend bewusst, dass sein Weg ihn mit ziemlicher Sicherheit durch das STASI-Gefängnis führen würde. 1977 wagte er dann mit seinem jüngeren Bruder die Republikflucht. Beide wurden jedoch in Ungarn festgenommen. „Ein Jahr“ lautete das Urteil. Nachdem er zahlreiche interessierte Nachfragen aus unseren Reihen beantwortet hatte, las er uns zwei Textstellen aus seinem Roman „Ohne Lügen leben» vor, um uns zu verdeutlichen wie schwerwiegend sich die Inhaftierung für einen so jungen Mann auswirkt. Schlussendlich berichtete er von seinem Freikauf durch die Bundesrepublik im Jahr 1978. Um überhaupt zu realisieren, dass er end- lich in Freiheit leben konnte, reiste er in der ganzenWelt umher. Anschließend studierte er als Gasthörer in Erlangen Theaterwissenschaft. Später heiratete er und ist mittlerweile stolzer Vater dreier Kinder. Es beeindruckte uns, zu erleben und zu hören, dass er noch immer durch seine Erfahrungen in der Zeit der DDR geprägt ist und es ihm ein Herzenswunsch zu sein scheint, dazu beizutragen, die Welt ein wenig besser zu machen, auf Missstände und Vorurteile – wie etwa diejenigen gegen „Ossies“ – hinzuweisen und zum kritischen Hinterfragen von Systemen und von unabänderlich scheinenden Gegebenheiten aufzurufen. Stattdessen appellier- te er dafür, selbst „Gutes zu tun“ und kein „Mitläufer“ oder „Opportunist“ zu sein, sondern für das einzustehen, was moralisch richtig ist. Abschließend lässt sich sagen, dass der Vortrag sehr informativ war und dass wir jetzt eine bessere Vorstellung vom Leben in der DDR haben. Wir danken unserer Geschichtslehrerin Frau Duchon für die Organisation und allen weiteren Beteiligten bei der Realisierung dieses Gesprächs! Antonia Kehrer

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