176 Schule Hofmannsthals Begeisterung für das Schloss Neubeuern und den Gutshof in Hinterhör haben, wie die ersten Briefzeugnisse zeigen, nicht allein mit der seit frühster Kindheit vertrauten Landschaft zu tun, sondern vor allem mit den Menschen, denen er dort begegnete und die es ermöglichten, dass ihm die oberbayrische Idylle zu einem Ort der Zuflucht, der ruhigen Tätigkeit, der anregenden (manchmal aufregenden) Geselligkeit und – nicht zuletzt – zu einem Ort gepflegter und gelebter Freundschaft wurde. „So sehe ich dieses Schloß, mit seiner starken bestimmten Contour, diesen wundervollen Fleck Erde...- und wieder sitze ich in einem Turmzimmer, dieses schönen Schlosses hoch über dem leuchtenden Band des Inn, in dem gleichen stillen Turmzimmer, an dem gleichen Schreibtisch wie vor einem Jahr und tauche meine Feder in das gleiche Empireschreibzeug, dessen Tintenfaß eine Urne ist, der zwei vergoldete Sphinxen mit unsäglich albernen Gesichtern und einem erstarrten Lächeln den Rücken kehren: da schrieb ich den zweiten Act der Cristina“. In demTurmzimmer mit Blick auf eine Gegend, die so schön ist, „dass es schwer wird, sich davon zu trennen“, bei einemWetter „von unglaublicher Schönheit: ein Glanz und Licht ohne Gleichen“ schrieb Hofmannsthal auch am ´Jedermann´, am ´Salzburger Großen Welttheater´, am Schwierigen´, am ´Turm´, am ´Unbestechlichen´ und am Opernlibretto zur ´Ägyptischen Helena´. „Aber ich bin ja gar nicht fort von Neubeuern, ich bin ja in meinem ganzen Gefühl immer noch dort,... - Und auch Neubeuern und Hinterhör, wo Hofmannsthal jenes „Schwebende“ spürte, für das auch der Dichter „kaum einen Namen“ fand und das ihm im Sturz des Daseins einen sicheren, mit Freundschaft und Liebe befestigten Ort schenkte. Dr. Joachim Seng Neubeuern Inspirierendes Idyll oder Vom sicheren Schweben im Sturz des Daseins, in: Hofmannsthal. Orte, Wien 2014
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