Jahrbuch 2019-20
60 SCHULE Individuelle Förderung in modernen Lernlandschaften „Die Schule sei keine Tretmühle, sondern ein heiterer Tummelplatz des Geistes.“ Johannes Amos Comenius (1592 - 1670), tschechischer Theologe und Pä- dagoge In einer Zeit, in der sich Wissen sehr schnell weiterentwickelt, in der sich das Wissen der Menschheit gar in wenigen Jahren verdoppelt, ist das ein- mal Gelernte sehr schnell veraltet. Die daraus resultierende Anforderung an das lebenslange Lernen setzt ein Konzept voraus, das Lernende dazu befähigt, während ihrer gesamten Lebensspanne individuelle Lernpro- zesse eigenständig zu planen und durchzuführen. Eine neue und verän- derte Lernkultur stützt sich auf die tragenden Säulen des selbstständigen, eigenverantwortlichen und kooperativen Lernens. Sie wird damit gleich- zeitig durch Individualisierung und Differenzierung der Lernarrangements der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft auch am Gymnasium gerecht werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass unsere Schülerinnen und Schüler dieses übergeordnete Ziel gewiss nicht durch reine Instrukti- on, Wissensvermittlung oder gar im Frontalunterricht in der Schule errei- chen werden. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen im eigenenTempo lernen, Informationen selbstständig zu recherchieren und zu strukturieren, mit den steigenden Informations- und Wissensmengen zweckmäßig um- zugehen und deren Komplexität zu erkennen und Wissen zu vernetzen. Aus welchen Quellen werden Schüler künftig ihr Wissen schöpfen und da- raus ihre Fertigkeiten entwickeln? Aus digitalen Quellen, ganz eindeutig. Daher ist es wichtig, Schülern bei- zubringen, wie digitale Werkzeuge gezielt für den Lernprozess eingesetzt werden und wie diese Selbstorganisation und Lernautonomie unterstützen können. Moderne Learning Management Systeme (LMS) fördern die Kom- munikation und begünstigen kooperative Arbeitsformen der Schüler durch den Einsatz von Wikis, Foren und Materialbörsen. Vokabeltrainer, interak- tive Übungsformen und differenzierende Lernpfade mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus tragen zur Individualisierung des Lernprozesses bei. Aber auch die Rolle der Lehrer wird sich verändern. Sie werden nicht mehr nur Wissensvermittler im klassischen Sinne sein, sondern vor allem die Funktionen des Moderators in Lernprozessen und des Gestalters von kon- struktivistischen Lernarrangements übernehmen. Nun stellt sich natürlich die Frage, in welchem räumlichen Kontext individu- elles Lernen an einer digitalen Schule am besten funktionieren wird? Vom traditionellen Klassenzimmer zur modernen Lernlandschaft Das alte Modell der Klassenräume war lange erfolgreich, weil es sich par- allel zur vorherrschenden Methode eines lehrerzentrierten Unterrichtens in den Schulen und in den Köpfen festgesetzt hat. Dahinter verbirgt sich die inzwischen nicht mehr zeitgemäße Vorstellung einer homogenen Lerngrup- pe, die in einem Klassenzimmer von durchschnittlich 60 Quadratmetern von der Lehrkraft im 45-Minutentakt dahingehend unterwiesen wird, vor- gegebene und vorgefertigte Wissensstrukturen zu übernehmen. Ohne Zweifel ist man sich heutzutage einig, dass Kompetenzen nicht einfach übertragen werden können, sondern die Schüler zunehmend ei- genverantwortlich ihre Fähigkeiten entwickeln müssen, indem Inhalte zu- nächst auf die jeweiligen Lernstärken und Bedürfnisse zugeschnitten sein müssen. Und selbstständig erarbeitetes Wissen verankert sich im Gehirn bekanntlich deutlich besser als durch Lehrervortrag. Zum selbständigen Arbeiten benötigen unsere Schülerinnen und Schüler aber ausreichend Freiräume in einer motivierenden und ansprechenden Lernumgebung! Im Idealfall wird nämlich der Raum an sich neben den Leh- rern und den Schülern nun zum dritten aktiven und unterstützenden Akteur im Lernprozess.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy OTQ4NjU5