Jahrbuch 2019-20
61 SCHULE Eine zeitgemäße Schule nutzt größere Flächen, auf denen sich die unter- schiedlichen Lerngruppen variabel je nach Thema und Lernphase organisie- ren können. Die intelligente Raumplanung an modernen Schulen kann ganz auf Klassenzimmer verzichten. Stattdessen schaffen sie Lernlandschaften von hunderten Quadratmetern, in denen nicht nur individuelle oder koope- rative Lernprozesse abgebildet werden, sondern auch direkte Instruktion und kreative Phasen möglich sind. Lernlandschaften sollten also in der Lage sein, gleich mehrere räumliche Lernszenarien abzubilden. Sie weisen beispielsweise „Inseln der Stille“ z.B. ganz aus Glas auf, in denen die Schülerinnen und Schüler einzeln kon- zentriert anThemen arbeiten können, oder in denenTests geschrieben wer- den. Es gibt darin aber auch „Kommunikationsecken“, Orte der Begegnung, zum sozialen Austausch oder zum Plaudern, „Kooperative Lernräume“ für die Gruppenarbeit mit akustisch abgeschirmten Boxen, mit bequemen Sitzen und flexiblen Tischen, in denen sich Schülerinnen und Schüler zu- sammensetzen und diskutieren können, ohne andere Lernende zu stören. Akustikelemente an den Decken und schalldämmende Materialien sorgen dafür, dass es nicht zu laut wird. Die Lehrkräfte geben Anweisungen und Inputvorträge auf Bühnenelementen in „Plazas“ und die Schüler können an Whiteboards sowohl kooperativ und online Inhalte erarbeiten, als auch anschließend diese als Gruppenaufgabe in Präsentationsbereichen auf den vorhandenen interaktiven Screens vorstellen. Die pädagogischen Grundzüge einer erfolgreichen didaktischen Arbeit in Lernlandschaften lassen sich also wie folgt zusammenfassen: In der Lernlandschaft wird ein Unterrichtsthema als Lernarrangement di- gital aufbereitet und in einzelnen Lerneinheiten an einer Station angebo- ten. Dabei bauen die einzelnen Lerneinheiten wie Stufen in einem Lern- pfad aufeinander auf und werden jeweils mit einer Kontrolle des Lernzieles abgeschlossen. Erst wenn diese Lernzielkontrolle erfolgreich gemeistert wird, darf der Schüler mit seinem iPad zur nächsten Lerninsel reisen und den nächsten Lernschwerpunkt auswählen. Das bedeutet, dass Schüle- rinnen und Schüler nicht nur in ihrem individuellen Tempo, je nach Aufgabe selbstständig oder im Team lernen, sondern auch am jeweils individuellen Lernzeitpunkt durch die Lehrkraft geprüft werden. Schüler, die die Lernland- schaften nach erfolgreichen Prüfungen schneller durchlaufen haben, kön- nen als Lernassistenten eingesetzt werden und anderen Schülern im Sinne des sozialen Lernens und „peer reviews“ etwas beibringen. Während die Schüler eigenverantwortlich und kooperativ lernen, bietet der Unterricht in der Lernlandschaft maximale Differenzierungsmöglichkeit, weil die Lehr- kraft sich Zeit für schwache Schüler nehmen kann. Grundsätzlich erhalten Schüler mehr Verantwortung für die Gestaltung ihres Lernerfolges. Dies kann durch den Einsatz von Lerntagebüchern, Selbsteinschätzungsbogen, digitale Hilfekarten mit Lösungen, fachlich vernetzten Wochenplänen und durch die Differenzierung nach Pflicht- und Zusatzaufgaben mit unterschied- lichem Schwierigkeitsgrad noch intensiviert werden. In dem beschriebenen Lehr- und Lernkontext werden Stunden- und Fächer- grenzen zunehmend fließend ineinander übergehen. Die Organisation des Unterrichts in offenen Lernlandschaften erfordert auch eine flexible Schulor- ganisation im Hinblick auf den Stundenplan und den Einsatz der Lehrkräfte als echtes Unterrichtsteam. Natürlich wird sich die künftige moderne Lernlandschaft an unserer inno- vativen Schule ebenfalls volldigital präsentieren und nicht auf laminierte Hilfekärtchen aus Papier bauen, sondern vielmehr auf die neuesten ver- fügbaren Bildungstechnologien zurückgreifen. Der Einsatz von digitalen Unterrichtsassistenten, unterstützt durch die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz und realitätsnaher Virtual Reality Szenarien, wird unseren Schü- lerinnen und Schülern völlig neue Lernerlebnisse in der Lernlandschaft ver- mitteln und individuelle Lernprozesse beim eigenverantwortlichen Kompe- tenzerwerb nachhaltig unterstützen. Carlo Ribeca Schulleiter
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