Jahrbuch_2020-21

126 SCHULE Strafen Offiziell gab es die üblichen Schulstrafen wie Verweis und Karzer. Durch die Stubenältesten aus Schulpforta wurden Spezialstrafen verhängt: Kleiderwechsel (Flagaluzi), Kniebeugen auf dem Spind. Anlass dazu war Unordnung, Verspätung etc. Sanktionen für den ganzen Zug waren u.a. Strafexerzieren und Nachtmärsche. Beförderungen Zum 20. April („Führers Geburtstag“) wurden Beförderungen ausgesprochen. Zum Kriegsende hatten wir in unserem Zug z.B. 2 „Jungmann-Hundertschaftsführer“, gekennzeichnet durch eine breite, goldgelbe Schulterklappe. Es waren dies Walter Schöll und Rainer Trost. Darunter waren „Jungmann-Gruppenführer“ mit geflochtener Schulterlitze. Ich war einer dieser Beförderten. Das Umfeld Der Kontakt zur Familie beschränkte sich auf die 3 Ferien im Jahr. Nur gelegentlich gab es Besuche von daheim. Mein Vater z.B. besuchte mich im Spätherbst 19.44 während eines Genesungsurlaubs. Ich ging zum Abschied mit ihm bis zur Neubeurer Innbrücke. Dort habe ich ihn zum letzten Mal im Leben gesehen, wie er Richtung Raubling über die Brücke dahinging. Briefe haben wir nicht gerne geschrieben, Päckchen mit Lebensmitteln waren hoch willkommen. Besonders in der Anfangszeit litten manche unter Heimweh. Immerhin waren wir erst 10 Jahre alt und hatten es im Schulalltag nicht immer leicht. Zur Bevölkerung gab es nur geringe Berührungspunkte. Wir waren beim Dorffriseur, beim Bäcker, gelegentlich bei einem Wirt. Erntehilfe leisteten wir bei Bauern im Umland. Mit den Insassen eines KLV-Lagers lieferten wir uns Raufereien. Wir provozierten aber auch die Einheimischen, indem wir beim Marschieren über den Marktplatz lautstark Kampflieder sangen. In der Wolfsschlucht gab es auch Streitigkeiten mit einheimischen Buben. Ein Schlossflügel war von BaroninWendelstadt bis zu ihrem Tod 1942 bewohnt. Wir hatten keine Kontakte zu ihr. Bei ihrem Tod standen wir Spalier, als der Sarg weggebracht wurde. 30 Kultur Wir Jungmannen selbst lernten mit Dr. Rahm viele Lieder, die ich noch heute, nach mehr als 60 Jahren kann. Es gab verschiedene Vorträge. In Erinnerung ist mir noch ein Referat über den „Wald“ mit dem Satz: „Der Sektor Holz ist unerschöpflich.“ Die Oper „Hänsel und Gretel“ wurde in der schönen Aula aufgeführt und es gab auch einen Liederabend. Kirchenbesuche war zwar möglich, aber nicht erwünscht. Die Schlosskapelle wurde teilweise als Skilager zweckentfremdet. Harald Strobl durfte zur Firmung heimfahren. Gesundheit Im Schloss war kein Schularzt vorhanden, aber eine Krankenschwester. Ein Mal im Jahr im „Winklerhaus,“ am Fuße des Schlossberges, war ein provisorisches Lazarett eingerichtet. Bei einer Scharlach- Epidemie musste ich mit einigen Kameraden dort für Wochen in „Quarantäne“ verbringen. Aus Langeweile und in Übermut warfen wir weiche Weintrauben an die Zimmerwand. Wieder hatte ich einen strengen Verweis am Hals. Alkohol gab es nicht. Lediglich zu einigen Stubenfesten konnten ein paar Flaschen Most beim Ernteeinsatz erbettelt werden. Politik Im Schulalltag war Politik nicht bemerkbar. Auch im Geschichtsunterricht paukten wir den üblichen Schulstoff: Römer, Griechen, Mittelalter. Schulungen in NSDoktrin hatten wir nicht. Auch die Lehrer waren keine Parteidogmatiker. Wir Jungmannen wussten z.B. nicht, dass Baronin Wendelstadt das Schloss unter Druck von NS-Seite verkaufen musste. Die SS veranstaltete einen Werbetag, um uns für die Laufbahn eines SS- Offiziers zu erwärmen. Das Winklerhaus am Schlossberg Bilder ARCHIV

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