127 SCHULE 31 Der Krieg Über die Kriegsereignisse wurden wir durch den täglichen Wehrmachtsbericht unterrichtet. Hautnah erlebten wir einen Bombenangriff auf Rosenheim mit. Vom Samerberg aus konnten wir sehen, wie die Bomben von den vielen Flugzeugen niedergingen und dichte Rauchwolken von Rosenheim aufstiegen. Ein amerikanischer Bomber wurde am Dandlberg abgeschossen. Ein Toter hatte sich dabei tief in den weichen Waldboden eingegraben. Wir suchten in den Trümmern, fanden Ausweispapiere und viel Munition. Diese haben wir zerlegt und das Pulver angezündet. Noch gut in Erinnerung ist mir, wie nach den Weihnachtsferien 1944 unser Kamerad Vierheller schilderte, wie er mit seiner Mutter aus Ostpreußen über das Eis des Haffs flüchten musste. Erst da wurde vielen von uns die Kriegssituation richtig klar. Vom Schießen in Altenbeuern musste ich einmal zurück zum Schloss, um Telefonwache zu halten. Dabei beschoss mich einTiefflieger auf der Straße von Altenbeuern nach Neubeuern. Nur durch einen Sprung neben die Straße konnte ich mich retten. Kurz vor Kriegsende holte mich meine Mutter nach Altötting zurück. Die Bahn war schon unterbrochen, die Amerikaner standen an der Donau. Die Nachkriegszeit Wir Neubeurer landeten meist wieder daheim. Nach einem kurzen Intermezzo in der Volksschule Neuötting kam ich Ende 1945 auf die Oberrealschule Mühldorf/ Inn. Für mich wäre eigentlich das Humanistische Gymnasium Burghausen geeigneter gewesen. Aber nach einem zufälligen Treffen mit Rudi Reiz aus Mühldorf, und weil einige Fußballfreunde in Mühldorf zur Schule gingen, wechselte ich zur Oberrealschule, heute naturwissenschaftliches Gymnasium. Ich musste 3 Jahre Englisch aufholen, profitierte dafür von meinen Latein- Kenntnissen aus Neubeuern. Latein war in Mühldorf die 2. Fremdsprache. Im Mai 1950 legte ich das Abitur ab, damals also nach 8 Jahren Gymnasium. Einige der der Neubeurer Kameraden blieben durch das Studium in München in Verbindung und trafen sich häufig. Ich hatte keinen Kontakt mehr zu den alten Klassenkameraden. Der gefangene Rehbock Sport war angesagt, Laufschritt zur Turnhalle, dann Gruppenaufteilung zur Leichtathletik. Wir standen am Platzende, als plötzlich aus dem Hang ein Rehbock herausflüchtete und mitten im Sportplatz war. Großes Gaudium, die verschreckte Kreatur suchte nach einem Ausweg und flüchtete RichtungWolfsschlucht, verfolgt von einem Rudel Jungmannen. Es kam wie es sein sollte: An der Wolfsschlucht fand der Bock den Durchgang nicht und es lag eine Horde Knaben auf ihm, um ihn zu halten. Den besten Griff hatte man am Gehörn und diesen Glücksgriff hatte ich getan. Es hieß also festhalten. Das Tier wehrte sich, schlug kräftig aus, und Rehläufe haben Kraft. So war ich am Ende einziger Gegner. Aber nicht lange. Die Perlung des Gehörns hatte mir schon beide Handflächen aufgerissen, die Schmerzen wurden größer, Kraft und der Wille zu halten, schwanden. So war der Bock bald wieder frei und flüchtete in die Freiheit. Was ich daraus gelernt habe: Fange nie einTier bei den Hörnern, du schaffst es nicht! Die Folgen waren: einigeTage offene Hände, dazu der Spott, ein Schwächling zu sein. Die Rationen Vergrößerung Nicht oft, aber doch kam es dazu, daß man für „besondere Verdienste“ zum Strafamt „Kartoffelschälen“ in der Küche verdonnert wurde: Für die Auserwählten nicht so unbeliebt, gab es doch Küchen Damen die unseren Hunger kannten und manches Resterl zu bieten hatten. Es war mal wieder so weit. Die Jungmannen schälten Kartoffeln, waren schnell fertig und so wurde uns noch aufgetragen, „Brotschneiden“ und auf Platten für das Abendessen richten. Mutter Vierheller, die ja damals die Küche befehligte, zählte uns die Kommissbrote vor, gab genaue Mengenanweisungen pro Platte, und es waren die Stücke zu zählen. Der erste Brotlaib war geschnitten, die Stücke wie immer recht dünn. Die Brotmaschine war ein großes „Blaues Wunder“ mit Gittern und Ein- und Ausschub. Uns interessierte vor allem die Einstellung, und nach dem zweiten Kommis beherrschten wir die Scheibendicke. Und die Scheiben wurden immer dicker, sie hatten fast schon Doppelmaß. Ganz klar war natürlich, dass die zugeteilte Menge nach der Schneidarbeit nicht reichte. Also musste Nachschub angefordert werden. Mutter Vierheller kam, sah und sagte: „Ihr Verfluchten,“ rückte dann aber die fehlende Menge heraus, nachdem sie die Einstellung wieder auf Normalmaß zurückgestellt hatte. Beim Abendessen gab es dann große Freude über die kräftig ausgefallenen Brote. Ob es ein Nachspiel gegeben hat? Ich glaube die Brotschneidearbeit wurde künftig von zuverlässigem Personal übernommen und Mutter Vierheller kannte ja die Situation und ihre „Knaben.“ Gerd Fritsch
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