136 SCHULE SchnittenWährung (Erwähnte Namen sind nicht rein zufällig) Menschen unserer Altersgruppe, dazu gehören sicher auch unsere Eltern, sollten sie noch leben, können sich bestimmt an die Zeiten direkt nach Kriegsende erinnern. Die weiterhin gültige Reichsmark konnte nur für den Kauf der auf Lebensmittelkarte zugeteilten Waren eingesetzt werden, ansosten musste für den Erwerb anderer Dinge (sprich Schwarzmarkt) eine andere Währung gefunden werden. So boten sich u. a. Zigaretten hierfür an, und der Wert eines Gegenstandes wurde dann häufig genug in Zigaretten umgerechnet. Dies nur zur Erinnerung. Aber nicht erst seit Kriegsende gab es so etwas wie Ersatzwährungen. Zumindest wir Schüler des 3. Zuges hatten die Notwendigkeit eines derartigen Instituts entdeckt, galt es doch, für unter uns handelbare Objekte eine akzeptable Wertbasis zu finden. Wir waren alle in einem Alter, in dem die Befriedigung eines immer latent vorhandenen Appetits oberste Priorität erlangt hatte. Zigaretten waren zu jener Zeit noch kein Thema für uns (woher auch?). Aber zu unserer Verpflegung gehörte die Frühstücksschnitte (mit Kunsthonig) in der großen Pause und vielleicht noch die eine oder andere Brotschnitte im Laufe der Woche - wunderbare Nahrungsmittel nach unserem damaligen Verständnis. Zwangsläufig war die Schnitten Währung geboren. Und damit komme ich zu meiner Geschichte, die mit ihrem etwas ungewöhnlichen Verlauf viel mit der Schnitten Währung zu tun hat. Meine Töchter - drei an der Zahl, behaupten immer, jeder meiner Berichte aus der Vergangenheit würde bei Adam und Eva beginnen. Sei‘s drum. Etwas weiter ausholen sollte ich aber schon, um verständlich zu machen, wieso und warum es überhaupt zu dieser Geschichte gekommen ist. Im Januar 1945 waren wir im Schilager am GerlosPass, anfangs zusammen mit einer Gruppe etwas älterer Schüler einer anderen Schule. Einer dieser älteren Schüler brauchte, wie er sagte, für irgendeinen Anlass ein intaktes Koppel. Sein Koppel hielte zwar die Hose, sei aber in einem lädierten Zustand. Dabei fiel sein Blick auf mein Koppel, zusammen mit der sehr nachhaltigen Forderung, es ihm vorübergehend zu leihen. Schnelle Rückgabe wurde zugesichert, und somit fand der Koppeltausch statt. Kurz danach war die Gruppe abgereist und damit mein schönes Koppel auch. Meine Hose wurde fortan von einem lädierten Koppel gehalten, ein Zustand, der in mir immer wieder ärgerliche Gefühle hervorrief. Bis ich entdeckte, dass Toni Bäuerle neben einem Gürtel zivilen Zuschnittes (in Koppelbreite - sehr wichtig!), den er selbst trug und um den ich ihn schon etwas länger beneidete, einen zweiten Gürtel gleicher Ausführung besaß. Auf diesen richtete sich nun mein ganzes Interesse. „Toni, wie ist es, kannst Du mir den Gürtel geben, was willst Du mit zwei gleichen?“ „Nein“ (wahrscheinlich eher ein bayerisches „Naa“) war seine erste Reaktion. Nach meinem wiederholten Drängen kam es dann doch zu ernsthafteren Verhandlungen, in denen ich eine Abgeltung in Brotschnitten anbot: Ich wollte den Gürtel ja nicht umsonst haben. Am Ende stand der Preis fest: 10 Schnitten, zahlbar in 10 Raten. Eine Detailfrage musste dann noch kurz geklärt werden, da Toni meinte, ich könnte aber erst nach Abgeltung des Preises in voller Höhe über den Gürtel verfügen. Er ließ sich jedoch überzeugen, dass ich den Gürtel sofort benötigte. Zehn Schnitten - für einen 12 Toni Bäuerle, Joachim Doedter, Musselmann BeppTaubeneder - Frühjahr 1943 SALEM R 6 - REEMTSMA - ARCHIV https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=20939758 40
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