Jahrbuch_2020-21

141 SCHULE Die Negertrommel Warum der Zwick Werner ausgerechnet mich dazu ausersehen hat, das Thema „Negertrommel“ zu bearbeiten, weiß ich nicht. Er lachte spitzbübisch über das Gesicht und ich sah es ihm an, wie sehr er sich freute, mir wieder einmal einen Streich gespielt zu haben. Meine Frau wollte natürlich sofort wissen, was eine „Negertrommel“ sei. Da sie sehr musikalisch ist, dachte sie vermutlich an ein Musikinstrument der Urbewohner Afrikas. Diplomatisch verschob ich die Beantwortung auf später. Nachdem mein Handeln längst verjährt ist, kann ich heute meine Geschichte erzählen: Im Winter 1942/43 durfte unsere Klasse ins Skilager auf die Hohe Asten, einem Bergbauernhof unterhalb des Rehleitenkopfes. Die Winter waren damals noch sehr streng und wir hatten Schnee zu Genüge. Das Nachtlager der Schüler, wir waren damals 11-12 Jahre alt - war sehr schlicht und einfach. Auch die sanitären Verhältnisse waren auf unser Kommen nicht eingerichtet. Wir schliefen in größeren Räumen oder einem Stadel. Mein Schlafraum war sehr kalt, denn die Wände waren undicht. Eines Morgens lag sogar Schnee auf unseren Decken. Als Getränk gab es abends reichlich Tee. Das hatte zur Folge, daß wir des nachts aufstehen mußten. Unsere Blase entleerten wir in die Negertrommel. Das war ein aufgeschnittenes großes Blechfaß mit 2 Henkeln zum Tragen und Entleeren. Leider war das Faß viel zu hoch für uns Kinder. Aus diesem Grund befand sich auch meistens ein kleiner See um das Blechgefäß. In der ersten Nacht verspürte ich einen starken Harndrang, also stand ich auf und tastete mich hinunter in den Vorraum, wo das große Blechgefäß stand. Finster war‘s im Treppenhaus, denn der Bergbauernhof hatte noch kein elektrisches Licht. Da sah ich die dunklen Umrisse des Fasses und nach ein paar Schritten stand ich barfuß in der nassen Brühe. Das Gefühl in der Urin- Soße zu stehen war für mich so unangenehm, daß ich nach einem Ausweg suchte. Untertags fand ich heraus, daß die Balkontüre ohne Probleme zu öffnen war. In der kommenden Nacht ging ich sofort den kürzeren Weg auf den Balkon und spritzte im hohen Bogen über das Geländer in den Schnee direkt vor der Haustür. Unbemerkt schlich ich mich wieder in mein Schlaflager zurück. Das ging mehrere Tage gut. Jede Nacht wurden die gelben Spuren, die mich verraten hätten, vom Schneetreiben zugedeckt. Als in der vorletzten Nacht das Schneien aufgehört hatte und es aufklarte, waren meine gelben Spuren vor der Haustüre deutlich sichtbar. Unser Zugführer, der die gelben Flecken im Schnee sofort bemerkte, bekam einen Tobsuchtsanfall und stellte sofort die Frage wer das gewesen sei. Da ich wußte, daß das Herunterbieseln vom Balkon ausdrücklich verboten war und ich Schlimmeres befürchtete, meldete ich mich natürlich nicht. Die letzte Nacht wollte ich keinesfalls riskieren entdeckt zu werden, so suchte ich schuldbewußt die Negertrommel wieder auf. So, jetzt kennt ihr alle die Geschichte von der „Negertrommel“ und dem ZwickWerner habe ich bewiesen, daß ich auch schwierige Themen bearbeiten kann. Helmbrecht Saumweber Anmerkung: Das Wort „Neger“ wurde im historischen Kontext belassen. RK Auf der Asten 1942-43 Bilder DOEDTER 45

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