147 SCHULE 51 Edelkastanien Eine wahre Geschichte, die ich bisher niemandem erzählt habe. Nachdem Herr Wolter nicht mehr lebt und unsereTat inzwischen verjährt ist, kann ich die Geschichte erzählen: Wenn man vom Schloss in den Markt Neubeuern geht, dann steht linker Hand ein großer Edelkastanienbaum. Bereits als Kind kannte ich „heiße Maroni“, die in München von Maronibratern in der Innenstadt verkauft wurden. Ich glaube, es war der Zwick Werner, den ich dazu überredete, dass wir uns Edelkastanien holen sollten. Auf unseren Stuben hatten die Kachelöfen, die damals mit Torf beheizt wurden und die sich prächtig zum Braten der Edelkastanien eigneten. Jeder nahm einen kleinen Sack mit und dann stiegen wir auf den Edelkastanienbaum. Die Säcke füllten wir mit vielen Früchten. Leider entdeckte uns nach kurzer Zeit Herr Wolter. Herr Wolter trug eine Uniform und war im Schloss (NPEA Neubeuern) für den Einkauf von Lebensmitteln zuständig. Er forderte uns auf herunter zukommen. Wir ignorierten seine Aufforderung. Um ihn zu vertreiben, warfen wir Edelkastanien auf ihn. Herr Wolter schrie zu uns herauf, er werde uns dem Anstaltsleiter melden. Da uns nun eine harte Strafe drohte, konnten wir nicht mehr hinunter steigen, denn er wollte er hätte uns sofort erkannt und uns der Schulleitung gemeldet. Der blieb unten stehen und wir saßen im Edelkastanienbaum fest. Die Zeit verging, es dämmerte bereits, da verspürte ich einen mächtigen Druck in meiner Blase. In unserer ausweglosen Situation bieselte ich auf Herrn Wolter hinunter. Dieser verspürte plötzlich einen warmen Regen. Er schrie zu uns herauf: „Ihr Schweine, ich melde euch dem Anstaltsleiter“. Jetzt konnten wir erst recht nicht mehr hinunter. Herr Wolter blieb beharrlich auf „Neubeurer Luftschutzraum“ an der Schlossabfahrt seinem Platz und wir saßen oben im Baum fest. Inzwischen war es bereits dunkel geworden. Plötzlich hörten wir die Sirene: „Fliegeralarm“. Da Herr Wolter bei Fliegeralarm eine bestimmte Funktion wahrnehmen musste, entfernte er sich durch den großen Torbogen und nahm seine verantwortungsvolle Aufgabe war. Endlich konnten wir vom Baum klettern und wir liefen schnell nach hinten zur Türe, die uns ins Schloss führte. Auf unseren Stuben versteckten wir die Kastanien in unserem Spind und begaben uns mit den anderen Klassenkameraden in den Luftschutzkeller. So haben wir es amerikanischen Bombern zu verdanken, dass unsere ruchlose Tat nicht aufgedeckt wurde. Letztlich wollten wir unser bescheidenes Essen durch köstliche Früchte, die wir auf dem Kachelofen gut braten konnten, aufbessern. Helmbrecht Saumweber
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