156 SCHULE Betrachtungen zu meiner Schulzeit in Neubeuern 1944/ 1945 von Frieder Löffler Im Sommer 1990 besuchte ich mit Roswitha und unseren Söhnen Michael und Christoph, damals 17 und 14 Jahre alt, das Landschulheim im Schloss Neubeuern, weil ich ihnen zeigen wollte, wo ich ein wichtiges Jahr meiner Schulzeit verbracht habe, nachdem die Schüler des Schotten-Gymnasiums in Wien wegen der zunehmenden Luftangriffe Anfang 1944 nach Ungarn evakuiert wurden. Mein Vater, in richtiger Vorahnung entschied, diese Bewegung nicht mitzumachen, sondern meine Mutter mit drei jüngeren Geschwistern und mir zu unseren Verwandten nach Weißenburg in Bayern zu schicken. Dort wurden wir mit offenen Armen aufgenommen, aber die Wohnverhältnisse waren den Umständen entsprechend beengt und der Lehrplan der dortigen Oberschule entsprach nicht dem altsprachigen Pensum des Wiener Gymnasiums. So kam ich von März 1944 bis April 1945 in die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Neubeuern, in der ich Freunde gefunden habe, mit denen wir noch heute eng verbunden sind. Als Seiteneinsteiger erlaubte man mir damals ein verkürztes Aufnahmeverfahren in die Napola, das sich auf die hygienische Untersuchung und die unvermeidlichen Mut-Prüfungen begrenzte. Die Prüfung der sportlichen Leistungen blieb oberflächlich, sonst wäre ich wohl nie aufgenommen worden. Meine Söhne waren bei unserem Besuch alt genug, um kritische Fragen über den politischen Hintergrund des damaligen Neubeuern zu stellen, da sie gut wussten, dass wir in Caracas eng mit unserer evangelischen Gemeinde verbunden sind und - für uns nicht imWiderspruch dazu - in früheren Jahren manchen Sabath im Hause von Fanny und Alex Treuherz, unseren besten Freunden in den USA, gefeiert hatten, die dem Holocaust entgangen waren und mit denen wir 1976 auch Israel besucht haben. Bei unserem Besuch strahlte die Sonne und das Schloss zeigte sich von seiner schönsten Seite. Die Söhne wurden als mögliche, zukünftige Schüler der Heimschule von einem Lehrer umworben, der ihnen Tür und Tor öffnete. Vom Turm hatten wir den für mich unvergessenen ‚Blick durch das Inntal, hinauf bis zum Groß-Venediger mit einer ewigen Schneekuppe, den Blick auf das hübsche Dorf Neubeuern, den Inn mit seinen Nebenarmen, auf den Wendelstein, der mich an eine Wanderung und einen langen, langen Abstieg, von dem wir erst am Abend hungrig und müde wieder unten ankamen, denken ließ, sowie den Blick auf den Heuberg. Hier glitt Helmbrecht Saumweber viele Meter im Schnee talwärts und kam glücklicherweise nur mit einer Platzwunde am Kopf an einem Baumstamm zum Halten. Wir haben damals viele Ausmärsche und Wanderungen unternommen, die unsere Leistungsfähigkeit verbesserte. Als wir durch die Schlossgänge geführt wurden, konnte ich nicht widerstehen, unsere alte Stube mit den bleivergossenen Butzenscheiben aufzusuchen, in der Sepp Taubeneder mit Rudi Gall, Hildebrand und ich über unseren Hausaufgaben gebüffelt hatten; wo unsere Spinde standen, die blitzsauber zu sein hatten, und die Hemden, Unterwäsche und Taschentücher „auf Kante“ liegen mussten, wenn sie nicht auf dem Boden landen sollten. Opfer der Spind Kontrollen unserer Zugführer, die nur wenige Jahre älter als wir waren und ihre Aufgaben mit viel Begeisterung aber nicht immer objektiv wahrnahmen. Da habe Ostbau Schloss Neubeuern ARCHIV Rudi Gall 2.Reihe.r., „Bepp“Taubeneder 1.Reihe.r. Flötisten v.l. Frieder Löffler, Zwick, v. Brevern, Dr. Rahm DOEDTER Blick von der Asten zum Heuberg 1943 (DOETHER) 60
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