Jahrbuch_2020-21

159 SCHULE 63 der Kapitulation. angeschossener, amerikanischer Bomber abstürzte und wo wir nach einem wilden Lauf dorthin, die Mannschaft tot vorfanden. So nah wir die Gefallenen sahen, sie waren tote Feinde, die mich kaum berührten. Als ich aber wenige Wochen später, Anfang Februar 1945, auf einer damals schon abenteuerlichen Zugfahrt nach Weißenburg durch Treuchtlingen kam, wo am Tag vorher zwei Eisenbahnzüge mit vielen deutschen Soldaten durch Tiefflieger zerbombt wurden, hat mich der Anblick der Toten, die mit dem Ochsenwagen abtransportiert wurden, überviele Nächte verfolgt. Wie waren wir verblendet! Wenn ich eingangs das Jahr in Neubeuern „wichtig“genannt habe, so deshalb, weil es für mich an sich ein glückliches Jahr war, das mich aber mit der Vorstellung belastet, wie nah ich der Gefahr war, ohne möglicherweise je darüber nachzudenken, in eine Laufbahn im Dienst der unmenschlichen Ideologie des Nazismus hineinzuwachsen. Das Ende des Krieges hat uns davor verschont. Mit dreizehn Jahren waren wir 1945 alt genug, die Tragik und das Unrecht, die Hitler und der Nationalsozialismus über Deutschland und Europa gebracht hat, zu erfassen und durch eigenes Erleben in unser Erfahrungsbild aufzunehmen. Wir waren aber jung genug, um danach von dem Aufbau der Demokratie, von dem amerikanischen, angelsächsischen Weltbild der Freiheit und der christlichen Religion neu geprägt zu werden. Roswithas Bruder Alex oder mein Bruder Klaus, nur drei Jahre älter als wir, die in polnische Gefangenschaft geraten waren oder als Luftschutzhelfer grausame Szenen erleben mussten, hatten es da viel schwerer. Mir haben dazu die Jahre in der evangelischen Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart geholfen, wo ich ab November 1945 bis zu meinem Abitur die Schule besuchen konnte, die viele Jahre von Wilhelm Simpfendörfer, einem der Väter des Grundgesetzes und späterem Kultusminister von Baden-Württemberg geleitet wurde, der uns im Staatskundlichen Unterricht eng in die politischen Überlegungen der jungen Demokratie einschloss und wo der liebenswerte, alte China-Missionar Maurer, eine kleine Gruppe von „Nazikindern“ bis Ostern 1946 erfolgreich zur Konfirmation und zum evangelischen Glauben führte. So bleibt die Zeit in der Napo Neubeuern ein wichtiges Stück meines Erlebens, in dem ich in einen begrenzten Bereich den Nationalsozialismus hautnah kennen gelernt habe. Das ist für mich Ansporn geworden, dafür einzutreten, dass sich ein solcher Irrweg in der Geschichte unseres Volkes nicht wiederholen möge. Caracas, den 18. September 2000 Frieder Löffler ttps://b17flyingfortress.de/der-bomber/die-geschichte-der-b-17/

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