163 SCHULE nach Neubeuern gekommen waren, um hier den Endsieg zu erleben. Auch unsere Lehrer und das Anstaltspersonal waren plötzlich nicht mehr vorhanden. Die Wiener setzten sich dann ebenfalls ab, so dass letztendlich nur mehr Werner Schmidt, der knapp 11jährige und ich mit 13 1/2 Jahren in der Anstalt verblieben waren. Das Schloss war unterdessen, Gott sei Dank, von einer Lazarettkompanie besetzt worden, die eine Reihe Verwunderter versorgten. Dazu fand sich noch ein Trupp Blitzmädel ein. Das war ein unerwartetes Glück für uns beide. Konnten wir doch aus der Soldatenküche unseren größten Hunger stillen. In den ersten Maitagen kam dann das Gerücht und bald darauf die Bestätigung, dass die feindlichen Truppenverbände das westliche Inn Ufer erreicht hatten. Nach einigen erfolglosen Verteidigungsbemühungen seitens des kurzfristig aufgestellten Volkssturms, der sich jedoch vernünftigerweise kurz vor Feindberührung wieder auflöste, besetzten französische Einheiten Neubeuern, wobei jedoch das Schloss selbst von einer amerikanischen Funkeinheit besetzt wurde. Die Sanitätssoldaten wurden gefangen genommen und unter Arrest gestellt, durften aber die Versorgung der Verwundeten noch weiterführen. Wir beide, Werner und ich, trieben uns beiden amerikanischen Soldaten herum. Wir wurden zu unserem Erstaunen freundlich und gut behandelt und erfuhren von den großen Sorgen um unsere Angehörigen, von denen wir schon nichts mehr gehört hatten. Wir wollten schnellstens nach Hause. Dem stand jedoch imWege, dass es keine Verkehrsverbindungen zumindest offiziell gab. Außerdem hatten die Militärbehörden eine Begrenzung der Bewegungsfreiheit von 20 km im Umkreis verfügt, die bei Androhung strengster Strafen keiner übertreten durfte. Endlich, es war schon Anfang Juni, hörten wir, dass von Rosenheim aus Holzgaslaster nach München fahren würden. Wir packten unsere Tornister mit allen Kleidern, derer wir habhaft werden konnten, versorgten uns bei den Amis mit Lebensmitteln und machten uns auf den Weg nach Rosenheim zu dem angegebenen Ort. Tatsächlich stand da morgens um 7 Uhr ein Lastwagen, der uns und andere, meist ältere Leute, nach München mitnahm. Der Fahrer verlangte von allen, die auf der Pritsche mitreisten, einen Obulus von RM 5.-, außer von uns beiden. Uns ließ er kostenlos mitfahren. Gemächlich mit einigen Nachschüraufenthalten fuhren wir bis zur Stadtgrenze von München. Dort sagte man uns, dass eine Weiterfahrt nach Nürnberg ebenfalls mit Holzvergasern von Dachau aus bestünde. Wir machten uns zu Fuß nach Dachau auf, wo wir am späten Nachmittag ankamen. Ein Mitreisender von Rosenheim, der auch ins Fränkische wollte, kümmerte sich um uns und nahm uns zu Bekannten nach Dachau mit. Dort wurden wir von einer freundlichen Familie aufgenommen. Wir wurden aus erbeuteten Lebensmittelbeständen verpflegt und durften die Nacht imWohnzimmer der Familie verbringen. Am nächsten Morgen fanden wir uns auf dem Sammelplatz zur Abfahrt nach Nürnberg ein und wurden auf gleiche Weise von einem hilfsbereiten Fahrer mitgenommen. Am Spätnachmittag kamen wir in Nürnberg am Hauptbahnhof an. Wir gingen gleich zu meiner alten Wohnung in die Seuffertstraße. Leider war alles zerstört. An der Hausruine hing jedoch ein Pappkarton, auf dem stand, dass meine Mutter und meine Schwestern den Krieg überlebt haben und in Fürth/Dambach in unserem Gartenhaus wohnen. Wir machten uns gleich auf den Weg dorthin. Glücklicherweise fuhr bereits eine Straßenbahn vom Nürnberger Plärrer aus bis zur Fürther Freiheit, ein Hauptteil des Weges. Von dort gelangten wir nach einem weiteren 2 stündigen Marsch nach Dambach unterhalb der alten Veste, wo mich meine ganze Familie unter vielen Tränen in die Arme nahm. Am nächsten Tag brachten mein Vater und ich Werner Schmidt zu seiner Familie nach Erlangen. Ich habe seither nichts mehr von ihm gehört. Den Menschen, die uns so freundlich und hilfsbereit in Dachau und auf ihren Fahrzeugen aufgenommen und mitgenommen haben, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Leider kenne ich weder ihre Namen noch ihre Anschrift. Nürnberg, den 4.Februar 2001 Georg Sturm Holzgaslaster 40er Jahre ARCHIV Die Amerikaner1945 in Brannenburg ARCHIV Zigarettenetui mit Lucky´s 1946 ARCHIV 67
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