164 SCHULE Die Napola Neubeuern 1942 - 1945 Die Napola (Nationalpolitische Lehranstalt) Neubeuern war lange Zeit ein Tabuthema in der Chronik Neubeuerns. Da wir, die Schüler Neubeuerns, nun in einer aufgeklärten Zeit erwachsen werden (werden wollen) und uns nur mit einer vollständigen Chronik zufriedengeben, kam es durch Herrn Mößners Organisationsgeschick dazu, daß sich am 05.12.1995 vier Altneu- beurer aus jener Zeit und ein Großteil der Schülerschaft und Lehrer in der Aula trafen, um über die „tempora incognita“ zu sprechen. Zuerst stellten sich die Altschüler Herr Taubeneder, Herr Dr. Gertis, Herr Saumweber und Herr Zwick einzeln vor und zeigten uns, daß man, trotz schlechter Schulzeugnisse, im Leben noch etwas erreichen kann, wenn man sich nur geschickt genug anstellt. Nachdem uns anschließend ein Film, den einer der Altschüler zusammengestellt hatte, gezeigt wurde, hielt Herr Zwick (Schüler von 1942-1945) einen sehr lockeren Vortrag über das Leben in der Napola. Dabei zeigte er zuerst die Gemeinsamkeiten mit der heutigen Zeit auf, die darin bestehen, daß sich das Schloß vom Dorf her gesehen nicht verändert hat und auch der Blick von der „Süd“ ins Inntal immer noch der gleiche ist. In einer süffisanten Bemerkung meinte Herr Zwick, daß die Schüler auch heute noch Uniformen tragen würden, nur beständen diese nicht mehr aus dem Drillichzeug des Krieges, sondern eher aus der Sportswear namens „Levis“ und „Chiemsee“. Die Unterschiede zu damals liegen hauptsächlich darin, daß die heutige Schülerschaft nicht mehr im militärischen Gleichschritt durch Neubeuern ziehen muß und alle Extreme unserer Konsumgesellschaft ausleben kann, was den Schülern in der Napola mehr oder weniger untersagt bzw. nicht möglich war. Im „elitären“ Denken unterschieden sich die damaligen Schüler von den heutigen nur wenig, da die Eltern - wie heute auch - gute Zeugnisse erwarteten, diese aber in den seltensten Fällen von ihren Söhnen zu sehen bekamen. Da die Schüler der Napola aufgrund von Empfehlungen der Grundschullehrer nach Neubeuern kamen, gab es für Schüler minderbemittelter Eltern genügend Freiplätze. Der Hauptgrund für die Auflösung des damaligen Landschulheims war die Zusammensetzung der „adeligen“ Schülerschaft: vier Prinzen, fünf Fürsten, 19 Grafen, 12 Barone und 22 Schüler mit einem „von“ vor dem Nachnamen. Die Schüler hatten damals keinen Kontakt zur Hausherrin und wußten auch nicht, daß das Schloß zwangsverkauft worden war. Da die Schüler damals zwischen 10 und 16 Jahre alt waren, fand noch keine ausführliche politische Indoktrination statt. Einzig in Bayern hatte sie die Aufgabe, „durch vielseitige, harte Erziehung in der Gemeinschaft geeigneten Führungsnachwuchs für das Dritte Reich heranzubilden“. Die Napola war ein Internat mit dem Lehrplan eines Humanistischen Gymnasiums. Die Lehrer waren hauptsächlich Berufspädagogen von der Schwesterschule Schulpforta aus Thüringen, von wo auch die 14-16 jährigen Schüler kamen. Um eine Napola besuchen zu können, mußte man den sog. Ariernachweis erbringen. Doch nun zum Alltag in der Napola Neubeuern. Um 6.00 Uhr begann der streng militärisch geordnete Tag mit dem Wecken und anschließendem Waschen und Kämmen imWaschsaal. Erst nachdem die Flagge auf dem Turm gehißt worden war, gab es Frühstück. Danach ging es in den Unterricht, wobei der Sportunterricht eine deutlich höhere Gewichtung hatte als heute, d.h. er zählte eins zu eins zu den schulischen Leistungen. Der Unterricht dauerte bis 12 Uhr, danach gab es ein karges Mittagessen, und von 13-14 Uhr herrschte die verordnete Mittagsruhe. Am Nachmittag konnte man entweder Spind, Uniform und Schuhe in der sog. „Putz- und Flickstunde“ wieder auf Vordermann bringen, oder man betrieb Sport auf einer der zahlreich vorhandenen Anlagen der Umgebung. Die dritte Möglichkeit bestand darin, seine Hausaufgaben auf der Stube zu erledigen, die später vom Stubenältesten oder dem Gruppenführer einer Klasse kontrolliert wurden. Die Stuben waren damals nur recht karg mit Stuhl, Tisch, Wandablage und Spind eingerichtet. Diese Stube, die von vier bis acht Schülern genutzt wurde, mußte immer sauber aufgeräumt sein, genauso wie der Spind. War dies nicht der Fall, so konnte der Stubenälteste über das Strafmaß bestimmen. Ebenso fanden nachmittags und auch an Wochenenden paramilitärische Geländespiele statt. Nach dem Abendessen hatten die Schüler entweder eine Stunde Freizeit oder es gab sog. Kameradschaftsabende, an denen zusammen etwas unternommen wurde. Danach ging man geschlossen als Zug (Klasse) in einem großen Schlafsaal zu Bett. Die ärztliche Versorgung leisteten eine Krankenschwe- ster und ein Zahnarzt, der einmal im Jahr vorbeikam. Michael Klaes Jahrbuch Schloss Neubeuern 1996, S. 42-43 NAPOLA Zug 1942 auf der Südterrasse - Herr Taubeneder 3. v.l. Jahrbuchberichte 68
RkJQdWJsaXNoZXIy OTQ4NjU5