Jahrbuch_2020-21

207 SCHULE Ich werde den Moment nie vergessen, in dem die Babys das erste Mal geschrien haben und dann auch die Mama angefangen hat zu schluchzen. Da musste ich doch auch die ein oder andereTräne vergießen – das war wirklich ein magischer Moment. Bei der ersten Sectio habe ich nur zugesehen und direkt im Anschluss kam dann die zweite. Die Chirurgin hat mich anschaut und meinte „Willst du bei der nächsten assistieren? Dann geh dich waschen.“. Ich dachte, ich hör nicht richtig und hab noch mal gesagt, dass ich Praktikantin bin. Das war ihr bewusst und sie hat es mir dann noch mal angeboten, wozu ich natürlich nicht nein gesagt habe. Das hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können, am Tisch zu stehen und bei einer Sectio zu assistieren! Ich durfte dann absaugen, tupfen, den Bauchdeckenspreizer halten und Fäden abschneiden. Nach der OP habe ich dann noch geholfen die Bauchtücher zu zählen, welche komplett in warmem Blut getränkt waren. Die müssen immer gezählt werden, damit keins davon im Patienten vergessen wird – das ist schon öfter vorgekommen. Nach diesen OP’s war ich mir dann zu 100% sicher, dass ich das auch mal machen möchte. Davor habe ich nämlich etwas gezweifelt, da die Arbeit in der Pflege alles andere als spaßig ist. Abgesehen von den „ekligen“ Aufgaben, war die Stimmung bei den Pflegekräften selbst einfach jeden Tag eine Katastrophe. Irgendwie kannte niemand ein „Bitte“, „Danke“ oder ein simples Lächeln. Das hat mich schon geschockt und mit so einer Arbeitsatmosphäre macht der Job drei Mal so wenig Spaß. Zudem hatte ich oft das Gefühl ausgenutzt zu werden. Das habe ich anfangs noch mitgemacht, aber nach einiger Zeit habe ich dann auch klar gesagt, dass man doch bitte beachte, dass ich erst 16 bin, keine Ausbildung habe, kein Geld bekomme und hier bin, um was zu lernen und nicht, um die Drecksarbeit zu machen. Dann wurde es besser und ich war sehr oft im OP. Auf meiner Station waren auch viele PJ-Studenten. Das sind Medizinstudenten im 11. und 12. Semester, welche hauptsächlich die Wundversorgung und Blutabnahme machen. Ich habe mich echt gut mit ihnen verstanden und sie haben mir gezeigt, wie man Blut abnimmt. Blutabnahme und auch die Verabreichung von Spritzen durfte ich dann auch bei Patienten machen. Im Großen und Ganzen bin ich froh, das Praktikum gemacht zu haben und bin dankbar für die zahlreichen Erfahrungen, die ich sammeln durfte. Zwar war es auch oft anstrengend und hat keinen Spaß gemacht, allerdings sieht so nun mal die Realität aus und nun weiß ich, was mich später mal erwarten wird. Josephine Giusti

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