Jahrbuch_2020-21

54 SCHULE Das Jahr 1936 Aus dem Schulleben Das zweite besondere Ereignis beim Sommerfest war die Stiftung des Erich-Proebst-Preises. Die Eltern unseres Erich Proebst hatte im vergangenen Jahr der schwere Schicksalsschlag getroffen, ihren bei all seinen Kameraden geliebten, bei uns Lehrern schon wegen seiner trefflichen Leistungen auf allen Gebieten, vor allem auch in seinem Lieblingssport Tennis, geschätzen und geachteten Sohn durch Krankheit verlieren zu müssen. Sie haben sich nun eingedenk der Anhänglichkeit ihres Sohnes an Neubeuern, wo er im Kreis seiner Altersgenossen eine glückliche Jugendzeit verleben durfte, dazu entschlossen, einen Preis zu stiften, der die Jugend zu edlem Streben auf allen Ausbildungsgebieten anregen soll. Ihr Erich ist ja diesen Weg seinen Kameraden vorangegangen. Um diesem Gedanken sinnbildlichen Ausdruck zu verleihen, hat Professor Bleeker in München von Erichs Eltern den Auftrag angenommen, für die Anstalt eine Jünglingsstatue aus Bronze zu schaffen: einen jungen Speerträger, der eben aus dem Wettstreit zurückkehrt. Auf unserem schönsten Platz, auf der Terrasse mit dem weiten Blick auf das Inntal und unsere herrlichen Berge, soll das Werk Aufstellung finden. Der jeweilige Preisträger erhält ein kleines Abbild in Bronze und außerdem wird sein Name eingetragen auf der Tafel der Preisträger. Wer aber soll den Preis erhalten? Der Beste. Aber gemeint ist damit nicht der, der die besten Leistungen in der Schule erzielt und vielleicht das beste Zeugnis nach Hause bringt. Wenn wir dem jungen Menschen ein gutes Rüstzeug für den Lebenskampf zu geben wollen, so kann das nur geschehen, wenn wir unsere Aufgabe in der harmonischen Durchbildung des ganzen Menschen sehen; denn nicht auf Wissen und praktisches Können allein kommt es an, wenn der wahre Wert eines Menschen bestimmt werden soll, sondern diesem Können verleiht erst Wert die innere Einstellung des Menschen, seine charakterliche Haltung. Es ist also Aufgabe der Schule, neben der Ausbildung des Geistes und der körperlichen Ertüchtigung auch für Formung des Charakters zu sorgen. Nur wenn ein Schüler auf allen Gebieten Gutes leistet, entspricht er den Anforderungen, die der heutige Staat an die Jugend der höheren Schulen stellt. Es ist aber für uns Lehrer nicht immer leicht, den Preisträger, das heißt den Schüler, der auf allen Gebieten die besten Leistungen aufweist, zu bestimmen; das zeigten schon die Debatten, die der Feststellung des Franz Schönborn Marsch durchs Dorf zum Sportfest ersten Preisträgers vorangingen. Es sticht ja meist nicht ein Schüler ganz besonders hervor, sondern der eine hat diesen, der andere jenen Vorzug und so halten sich manche die Waagschale und wären auch würdig, für den Preis vorgeschlagen zu werden. Aber schließlich muß doch eine Entscheidung getroffen werden, da ja nur einem der Preis zuerteilt werden kann. Es wäre nun freilich ein Fehler, wenn man glauben wollte, daß wir durch Zuerkennung des Preises sagen wollten, daß der betreffende Schüler die höchste Leistung auf den genannten Gebieten erreicht habe und also jetzt die Hände in den Schoß legen dürfe. Nein, einen so vollendeten Schüler haben wir nicht in unseren Reihen. Es soll durch Verleihung des Preises nur das Streben des Schülers anerkannt werden, überall sein Bestes zu leisten, und er soll durch diese Auszeichnung noch mehr angefeuert werden, auf dem eingeschlagenen Weg fortzuschreiten und weiter an sich zu arbeiten. Nur in diesem Sinn verleihen wir den Preis, für den natürlich Schüler der oberen Klassen in erster Linie in Frage kommen, aber nur, wenn sie entsprechend lange an der Anstalt sind, um wirklich als Neubeurer zu gelten. 11 11

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