Jahrbuch_2020-21

64 SCHULE Der Träger des Erich-Pröbst-Preises 1935 erzählt: Wenn einer über sein Leben berichten soll, muß er entweder schon sehr alt sein oder er muß von einer ereignis- und tatenreichen Vergangenheit erzählen können, so daß es sich verlohnt, auch den Mitmenschen davon mitzuteilen. Beides trifft bei mir bis jetzt nicht zu. Ich bin weder alt, noch berühmt, noch sonst wie bemerkenswert. Das Einzige, was ich mit den Großen der Geschichte gemein habe, ist, daß auch mein Leben mit der Geburt begann und zwar Anno 1916 in München. Von diesem Zeitpunkt an bis zu meinem Eintritt in Neubeuern 1931 verlebte ich meine frühe Jugend in Bayrischzell, das in jeder Beziehung meine Heimat geworden ist. Ich ging dort in die Volksschule und wurde ganz und gar der Bauernbub, wie meine Kameraden es waren. Das echte Bayrisch aus dieser Zeit konnte auch durch meine jetzige eineinhalbjährige Tätigkeit im hohen Norden nicht verfälscht werden im Gegenteil, erst hier wurde ich richtig stolz darauf. – Es ist nicht viel zu erzählen: wir spielten Indianer, mit einer ganz ungewöhnlichen Hingabe, lieferten uns blutige Schlachten, fuhren Radrennen und bauten Flugzeugmodelle. Vom Herbst bis ins Frühjahr hinein standen wir auf den Brettln, und es werden jetzt bald achtzehn Jahre, daß ich diesen Sport betreibe. Vier Jahre lang versuchten dann verschiedene Hauslehrer, nun auch einen vermeintlich irgendwo schlummernden Geist zu wecken. Mit welchem Erfolg, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls empfand ich eine immer stärker werdende Zuneigung zu schönen Büchern und eigenartigerweise waren es meistens die, in denen gar nicht so furchtbar viel passierte und die mehr durch die Sprache und die Form fesselten. Mit allen vorhandenen Mitteln versuchte ich mich auch in der Malerei, Öl-,Wasser- und andere Farben mußten dazu herhalten. Der schönste und wohl auch am stärksten herbeigesehnte Augenblick war dann, als ich im Jahre 1928 zum ersten Mal mit meinem Bruder in Schleißheim fliegen durfte. Seit damals ließ mich der Gedanke des Fliegens nicht mehr los. Ostern 1931 kam ich dann nach Neubeuern. Sehr mißtrauisch und voll böser Vorahnungen betrat ich an der Hand meines Vaters zum ersten Mal die „Burg“. Ich kann nicht sagen, daß ich mich schnell eingelebt hätte. Ganz in „Freiheit dressiert“, bedurfte es einer ziemlichen Umstellung aller Begriffe. Aber sehr gute Kameraden, die ich bald fand, und gerechte Vorgesetzte schlugen bald die Brücke, und es begann eine Zeit, die ich keinesfalls missen möchte und die ich mir aus meinem Leben auch gar nicht wegdenken könnte. Vieles wandelte sich, neues baute sich auf und der Blick wurde weiter. Man erkannte, daß das Leben eben nicht nur Spielerei ist, daß es auch Pflichten gibt und! vor allem, daß einem nichts ganz von selbst in den Schoß fällt, sondern daß es immer auf einen selbst ankommt. Niemals aber, das möchte ich betonen, glaube ich das gewesen zu sein, was man unter einem „Musterschüler“ versteht. vgl. Erinnerungsheft F.v.S. ARCHIV 21

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