88 SCHULE 43 „Innerer Widerstand“ Tagesordnung Lehrerkonferenz vom 13.11.1939. Anzeige Dr. Webers gegenüber Schülern der Anstalt Der Lehrer unserer Anstalt, Dr. Weber, hat gegen drei Schüler des Landschulheimes (Carl-Heinrich Hatzfeldt, CarloThomsen und Wilfried Stumm) ohne vorherige Mitteilung an die Anstaltsleitung Anzeige wegen abfälliger politischer Bemerkungen gemacht. Veranlasst war die Anzeige durch eine Mitteilung des Heimleiters Huss an Dr. Weber. In der Lehrerkonferenz vorn 13.11.39 wurden die Vorfälle besprochen und zuerst vom Direktor darauf hingewiesen, dass kein Grund vorgelegen hätte, die Anzeige weiterzugeben, ohne ihn vorher darüber zu verständigen. Er müsse daher gegen dieses Vorgehen von Dr. Weber Stellung nehmen; er habe die Verantwortung für die Anstalt zu tragen, darum müsse man ihm auch die Möglichkeit geben über die Vorkommnisse an der Anstalt zu urteilen. Über die Konferenz ist ein Sonderbericht abgefasst (Bericht über die Lehrerbesprechung au 13.11.1939), der auch dem Ministerium für Unterricht und Kultus vorgelegt wurde. Den Schülern Hatzfeldt und Thomsen wurde die Entlass aus der Anstalt ausgesprochen bei der Anklage gegen Stumm musste festgestellt werden, dass ihm keine Schuld nachgewiesen werden könne; es müssten hier noch weitere Untersuchungen vorgenommen werden. Die weitere Untersuchung in Falle Stumm ergab, dass der Vorwurf gegen ihn zu Unrecht erhoben wurde; Herr Huss selbst konnte den Vorwurf nicht aufrecht halten. Auch bei den anderen Schülern, die Herr Huss dann verdächtigte, konnte der Vorwurf nicht aufrechterhalten werden. Herr Huss konnte keinen Schüler bestimmt bezichtigen und musste bei zwei Schülern, die er beschuldigt hatte, den Vorwurf wieder zurücknehmen. Da Herr Huss auf meinen Vorhalt, warum er den Schülern Vorwürfe mache, die er dann nicht aufrechterhalten könne, mir zugab, dass er das immer mache, um vielleicht auf diese Weise doch ein Geständnis der Schüler herauszupressen, musste ich nach dem Ergebnis der Untersuchung annehmen, das es auch hier so geschehen sei. Ich musste die Untersuchung als ergebnislos aufgeben, denn ich konnte trotz aller Nachforschungen kein greifbares Resultat feststellen. Für die Schüler Hatzfeldt und namentlich für Thomsen ergab die weitere Untersuchung Feststellungen, die ihre Handlungsweise in einem milderen Licht erscheinen ließen. Ich konnte aber keine Lehrerkonferenz für diese Angelegenheit mehr abhalten, weil ich Mitteilung erhalten hatte, dass das Ministerium die Untersuchung in die Hand nehme. Ich legte daher das Ergebnis meiner Untersuchung dem Ministerium vor. Am 22.11.39 gab ich vor den zusammengerufenen Lehrern folgende Erklärung ab: Ich sei gestern nach Rosenheim zu Herrn Landrat Schorr gerufen worden, um eigenhändig Auskunft über die Vorkommnisse an unserer Anstalt zu geben. Dort hätte ich die Tragweite der Anklage erst kennengelernt. Denn ich hätte dort sehen müssen, dass es sich nicht nur um die Anklage gegen die erwähnten Schüler handle, sondern es sei die Anstalt und damit selbstverständlich auch die Leitung angeklagt und es sei auch der Antrag auf die Auflösung oder Verstaatlichung des Landschulheims gestellt worden. Die Untersuchung ziehe sich weiter hinaus, weil eine weitere Anzeige über die gleiche Angelegenheit an Reichsleiter Bouhler gerichtet worden, der sie an das Ministerium in München weitergeleitet habe. Unter diesen Umständen würde ich die von Herrn Huss wiederholt ausgesprochene Kündigung sofort annehmen; ich hätte bisher von ihm verlangt, dass er bis zur Beendigung der Untersuchung noch an der Anstalt bleiben müsse. Jetzt sei mir eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich. Im übrigen würde ich in Ruhe die kommende Untersuchung abwarten; ich würde meine Amtsführung auch vor den Behörden zu rechtfertigen wissen. Von meinen Mitarbeitern hätte ich allerdings erwartet, dass sie mir vor einer Anzeige die Möglichkeit einer Aussprache gegeben hätten. Nach dem Besuch des Herrn Stabsleiters Klein vom Bayerischen Kultusministerium in München am 27.11.39, der zusammen mit Herrn Landrat Schorr und Kreisleiter Heliel an unsere Anstalt kam, legte ich einen Schlussbericht über die Verhandlungen dem Ministerium vor (2.12.39), in dem die Entlassung Hatzfeldts und Thomsens mitgeteilt wurde. Auf die Beschwerde der Eltern, dass ihre Söhne sich nicht des vorgeworfenen Vergehens schuldig gemacht hätten und daher zu schwer bestraft worden seien, wurde ich vom Ministerium zu nochmaliger Berichterstattung aufgefordert. Daraufhin wurde von beiden Schülern die Entlassung in Androhung der Entlassung umgewandelt. (Sitzung 9.1.1940) Quelle: Jahresberichte 1938-39 5
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